53
Vor sich hin summend trat Jo aus dem Aufzug und ging in Richtung der Gemeinschaftsküche. Heute war wieder einer der besseren Tage. Sie hatte sehr gut geschlafen und war erholt aufgewacht. Und die Tatsache, dass Alex in seiner morgigen Nachricht zugesagt hatte, ihre Begleitung für den Ball zu sein, hatte nach dem Aufstehen ihr übliches zu ihrer Laune beigetragen. Jetzt brauchte sie nur noch das Kleid, welches sie am Anfang der nächsten Woche mit Natascha und Wanda besorgen wollte.
Ihre gute Laune ließ etwas nach, als Wanda ihr mit einem sauren Ausdruck im Gesicht entgegenkam. Seitdem sie sich gestern Abend getrennt hatten, musste ihr wohl etwas gehörig die Laune verhagelt haben. Jo blieb stehen und sah verwundert zu der Rothaarigen. Diese blieb schließlich so dicht vor ihr stehen, sodass sich ihre Nasen fast berührten und versperrte ihr somit den Blick in Richtung Küche. Dabei sah sie ihr düster ins Gesicht.
„Du solltest nicht weiter gehen, wenn dir etwas an deiner geistigen Gesundheit liegt!" Kam es mit tiefster Grabesstimme aus ihrem Mund.
Jos Gesicht verzog sich verwundert. „Weil?" Sie wollte um die Rothaarige herum gehen, wurde aber wieder aufgehalten. Joanna schnaubte ungehalten und schüttelte Wandas Arm ab, denn langsam ging es etwas zu weit. Ihr war nicht nach Spielchen zumute, sondern nach einem Tee. „Wanda..." Knurrte sie. „Ich will frühstücken!"
Wanda seufzte tief. „Bei dem Anblick wird dir definitiv der Appetit vergehen. Denn bei meinem Bruder ist wohl eine Sicherung durchgebrannt! Endgültig!"
Joannas Mundwinkel sackten nach unten und sie musste schlucken. Mit Pietro hatte sie hier nicht gerechnet. Immerhin war er ihr die letzten Tage konsequent aus dem Weg gegangen und hatte sich nur wenig im Tower aufgehalten. Keiner wusste so genau, was er machte und wo er sich aufhielt. Auch Wanda hatte er nicht eingeweiht, welche ebenfalls ratlos war, sobald man sie über seinen Verbleib fragte. Aber man ließ ihm seinen Freiraum. In der Hoffnung, dass er sich vielleicht erinnerte.
Unbehaglich sah Jo die Ältere an. „Was ist passiert?" Mit dieser Frage spähte sie vorsichtig um ihr Gegenüber herum in Richtung Küche. Eigentlich wollte sie es nicht so genau wissen. Nicht wirklich. Vor allem nicht, wenn Wanda schon ein fast angeekeltes Gesicht zog. Aber lieber hier und jetzt, anstatt es später von jemand anderem erzählt zu bekommen. Im Sinne von ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Wanda zögerte einen Moment mit ihrer Antwort. „Er hat Besuch mitgebracht... Weiblichen Besuch." Flüsterte sie.
Joanna bemerkte, wie ihr Gesicht erstarrte. Sie sah die Ältere fassungslos an. Es waren bei Wandas Worten allerlei möglichen Ideen in ihrem Kopf aufgetaucht, aber nicht so eine. An so etwas hatte sie nicht einmal gedacht. Sie seufzte tief. Aber das war tatsächlich ihre größte Angst gewesen. Vergessen und ersetzt zu werden. Unbewusst hob Jo ihre Hand und strich sich über ihr Herz, in welchem sie meinte ein schmerzhaftes Stechen zu spüren.
„Geht es dir gut?" Fragte Wanda besorgt, nachdem sie diese Geste schweigend verfolgt hatte. Die Rothaarige schien wohl genau zu spüren, was in Jo vor sich ging.
Angesprochene zuckte zusammen und verzog ihren Mund zu einem schiefen Lächeln. „Ja... Ja klar. Muss ja." Sie sah die Ältere an, während sich ein Gedanke in ihrem Kopf formte. „Ich muss sie sehen!"
Wanda riss überrascht ihre Augen auf. „Jo... Ich glaube nicht, dass..."
Aber bevor Wanda irgendetwas dagegen einwenden konnte, hatte Jo sie schnell umrundet und war der nach ihr greifenden Hand geschickt ausgewichen. Dann lief sie in Richtung Küche. Im Türrahmen blieb sie wie angewurzelt stehen, als sie die beiden Personen erblickte.
Pietro, welcher frech grinste und mit einem Scherz auf den Lippen eine Kaffeetasse auf dem Tresen abstellte. Ein Grinsen, bei dem Jo immer gedacht hatte, dass es nur für sie bestimmt gewesen sei. Jo klammerte sich an den Türrahmen, als Pietro sie erblickte und sein Grinsen augenblicklich verschwand.
Wandas Hand legte sich auf Joannas Rücken und ließ sie leicht zusammen zucken. Dennoch konnte sie den Blick nicht von der Fremden lösen.
Wobei diese nicht so fremd war, wie Jo nach einem kurzen Moment schockiert feststellen musste. Die blonden Haare, welche in langen Wellen den Rücken hinab fielen. Eine schlanke Gestalt, die sich in dem Moment zu Jo umdrehte und ein schönes ebenmäßiges Gesicht zeigte. Die Lippen waren dabei zu dem gewohnt hämischen Grinsen verzogen.
Nicht sie!
Jede andere wäre besser gewesen.
„Hi!" Kam übertrieben freundlich von der Blonden.
Jo schluckte schwer, als sie die sehr vertraute und verhasste Stimme hörte und wandte schließlich ihr Gesicht von der Blonden weg.
„Hi Missy."
Dann drehte sie sich um und ging weg. Sie musste Abstand zwischen sich, ihre Cousine und Pietro bringen.
DU LIEST GERADE
An ordinary extraordinary Life
FanfictionWenn Joanna ihr Leben beschreiben sollte, dann wäre 'trostlos' das erste was ihr einfiele. Ihre Mutter tot und der Vater unbekannt. Also lebte sie bei ihrer Tante, der sie so ziemlich egal war. Heute fand die Testamentseröffnung statt, bei der sie e...