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„Warum genau bin ich hier?" Fragte eine männliche Stimme amüsiert.
„Weil ich dich darum gebeten habe. Aber hauptsächlich brauchen wir jemanden, der die Taschen trägt." Wurde daraufhin unbekümmert von einer weiblichen Stimme geantwortet. „Außerdem kenne ich dich kaum. Das muss ich ändern, damit ich weiß, ob du ein vernünftiger Bekannter für Joanna bist. Außerdem..." Hier wurde das Gesagte undeutlich und war nicht gut zu hören.
Dieses Gespräch drang durch einen Vorhang gedämpft an Joannas Ohren, während sie mit einem Kleid kämpfend in der Umkleide stand. Sie musste grinsen und verspürte dabei doch etwas Mitleid mit Alex. Es war Wandas Idee gewesen, den Schwarzhaarigen zum Kleiderkauf mitzunehmen. Warum sie letztendlich überhaupt hatten gehen müssen, war Jo zwar nicht ganz klar. Aber die Rothaarige hatte darauf bestanden. So waren sie von Geschäft zu Geschäft gezogen und hatten Jo in diverse, zumeist abartige Kreationen gezwängt. Zum Glück wurde nichts davon gekauft. Aber es waren einige peinliche Fotos entstanden. Joanna schauderte kurz, denn Wandas Gesicht war zum Fürchten gewesen, als sie die Fotos gemacht hatte. Somit hatte Wanda sie durch und durch in der Hand.
„Wie viele Kleider muss ich denn noch anziehen, bis wir hier endlich rauskönnen?" Mit diesen Worten trat Jo aus der Kabine heraus und sah zu ihren Begleitern. Sie zuckte kurz zusammen, als ein Blitz sie blendete. Ein Seufzen kam über ihre Lippen und sie rieb sich über ihre Augen. „Ist das Foto wenigstens etwas geworden?"
Ein zweistimmiges Lachen war zu hören.
„Ja ist es." Antwortete ihr schließlich Alex. „Du siehst aus wie ein pinker Marshmallow!"
„Genauso fühle ich mich." Erwiderte Jo trocken. Sie sah zu den beiden. „Warum genau bin ich hier?" Stellte jetzt Jo die Frage, welche Alex erst wenige Minuten davor gestellt hatte.
„Damit wir unseren Spaß haben."
Jo strich den rosa Tüll glatt. „Na, wenigstens einer... Hegt ihr irgendwelche Rachegelüste, die ihr jetzt an mir ausleben müsst?"
Wanda sah von ihrer Kamera auf und lächelte Jo an. Dieses Lächeln verursachte bei Jo eine Gänsehaut, welche über ihren Rücken kroch. Sie ging rücklings wieder zurück in die Umkleide und zog den Vorhang zügig zu.
„Jetzt das blaue?" Fragte Jo nach einem kurzen Moment zittrig durch den Vorhang hindurch.
„Ich bitte darum." Erklang die lachende Stimme Wandas.
Joanna seufzte und strich sich müde über ihr Gesicht. Das hatte sie eindeutig verdient.
„Hab ich euch endlich gefunden!"
War nach vielen furchtbaren Kleidern eine weitere Stimme durch den Vorhang zu vernehmen. Eine Stimme, welche Jo erleichtert aufatmen ließ. Denn die dazugehörige Person würde wohl hoffentlich für das Ende dieser Tortur sorgen. Sie schälte sich umständlich aus dem Ungetüm von Kleid und zog sich schnell ihre Sachen an, bevor sie den Vorhang zur Seite zog und sich möglichst unauffällig zu den anderen gesellte.
Wie sie vermutet und auch gehofft hatte, war Natascha aufgetaucht. Diese stand nun mit bösem Blick vor Wanda und Alex, während sie einen Kleidersack geschultert hatte. Diesen legte sie dann vorsichtig auf die Bank neben den beiden, bevor sie sich ebenfalls setzte und anschließend zu Joanna sah. Dann wandte sie ihren Blick wieder zu der anderen Rothaarigen.
„Gute Fotos gemacht?"
„Die Besten!" Kam schelmisch von Wanda. „Damit werde ich sie auf Jahre erpressen können." Dabei zwinkerte sie Jo zu.
„Ihr seid rothaarige Monster." Warf Alex dazwischen. Dann wurde sein Grinsen leicht teuflisch. „Aber da mache ich mit!"
„Ach kommt!" Rief Jo entgeistert aus. „Seid doch nicht solche Fieslinge wie aus dem Comic!"
Daraufhin drehten sich die drei zu Joanna und sahen sie grinsend an. Die junge Stark sah ihre Freunde an und seufzte tief, bevor ein leichtes Lächeln in ihrem Gesicht erschien. Das hatte sie so was von verdient. Sie wusste auch ganz genau warum. Jo griff nach ihrer Tasche und warf einen Blick hinein, bevor sie sich noch immer lächelnd an die anderen wandte.
„Wollt ihr essen gehen? Ich lade euch ein."
„Ich dachte schon, du fragst nie!" Erwiderte Alex ihre Frage. „Mir hängt der Magen in den Kniekehlen. All diese Kleider zu sehen, hat mich erschöpft. Das war mehr als ein Mann ertragen kann."
Jo schnaubte. „Was meinst du wie es mir geht? Ich fühle mich, als hätte all dieser Tüll meine Lebenskraft ausgesaugt. Wo wollt ihr essen gehen?"
„Mir egal." Erwiderte Wanda, während sie vorsichtig in den Kleidersack hineinsah. Ein verträumtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
„Wir gehen ins 'Guan Fu'." Bestimmte Natascha. Mit diesen Worten stand sie auf und griff nach dem verhüllten Kleid.
Alex sah sie bei dieser Aussage verblüfft an. „Das ist immer voll ausgebucht! Da kann man nicht einfach so hin."
„Ich habe meine Methoden." Erwiderte Nat geheimnisvoll.
„Wen hast du bestochen?" Fragte jetzt Jo neugierig.
Auf diese Frage hin lachte Natascha auf. „Niemanden! Ich kenne dort jemanden. Ein kurzer Anruf und er hat den Tisch, welcher die eiserne Reserve ist, für uns reserviert."
Jo stupste sie spielerisch in die Seite. „Gut das wir dich haben."
Natascha sah sie mit einem kleinen Lächeln an, bevor sie ihren Arm in Joannas einhackte. Sie zog die junge Stark sanft mit sich mit, während die anderen ihr langsam folgten. Ihr Blick war nachdenklich nach vorne gerichtet, bevor sie Jo einen schiefen Blick zuwarf. „Du hast uns gestern einen riesigen Schrecken eingejagt. Wir hatten schon Angst das du die Kontrolle verlierst."
Schuldbewusst senkte Jo ihre Augen und betrachtete ihre Schuhe. Sie hatte sich schon gefragt, wann dieses Gespräch kommen würde. Es war ihr im Nachhinein bewusst, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung gewesen ist. Schon mehrmals hatte sie heute versucht mit den anderen zu reden, aber die Worte waren ihr immer wieder im Hals stecken geblieben. Letztendlich hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben und war von Geschäft zu Geschäft getingelt. Ihr war klar, dass dies eine kleine Strafe für den Schrecken des gestrigen Tages war.
Joanna sah schließlich wieder hoch und wandte ihren Blick zu Natascha, welche diesen erwiderte. „Ich weiß. Im Nachhinein habe ich mich selbst nicht mehr erkannt. Ich wusste nicht, wer diese wütende Fremde war, welche in diesem Moment mein Denken übernommen hat." Jo besah sich die Menschen, die an ihnen vorbeizogen. „Aber es war auf eine seltsame Art und Weise befreiend." Sie stieß ihren Ellbogen sanft in die Seite der Rothaarigen. „Bruce hat mir sehr geholfen."
„Das hatte ich gehofft." Erwiderte Nat leise. „Deswegen habe ich ihn zu dir geschickt."
„Was ist das eigentlich mit euch beiden?" Fragte Jo, nachdem sie über das Gesagte nachgedacht hatte. „Ihr wirkt mehr als nur vertraut miteinander. Seid ihr ein Paar?"
„Das darfst du nicht fragen!" Mischte sich Wanda von hinten ein, die das Gespräch auf ihre besondere Art belauschte. „Sie wird dich anlächeln, dann eine komplizierte Frage stellen und dich so weit von der eigentlichen Frage wegführen, dass du selbst nicht mehr weißt was du wolltest."
„Also ja!" Jo sah zu Nat, welche inzwischen ein paar Rotnuancen im Gesicht zugelegt hatte. In diesem Moment sah man nichts von der sonst so beherrschten Spionin. Nur eine normale Frau. Nur mühevoll konnte Joanna ein Schmunzeln unterdrücken. „Lasst Nat in Ruhe! ... Schaut, da ist das Restaurant." Sie zeigte auf das Ladenschild. Dann wandte sie sich an ihre Begleitung. „Ihr dürft jetzt alles essen was ihr wollt, aber es werden keine seltsamen Fragen gestellt!Verstanden?"
Wanda und Alex sahen sich mit einem Grinsen an, bevor sie bestätigend nickten und Joanna und Natascha in das Restaurant folgten.
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An ordinary extraordinary Life
FanfictionWenn Joanna ihr Leben beschreiben sollte, dann wäre 'trostlos' das erste was ihr einfiele. Ihre Mutter tot und der Vater unbekannt. Also lebte sie bei ihrer Tante, der sie so ziemlich egal war. Heute fand die Testamentseröffnung statt, bei der sie e...