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Ein Gähnen entschlüpfte Jo, während sie krampfhaft versuchte ihre Augen offen zu halten. Mit diesem Unterfangen war sie aber nicht die einzige, denn Pepper, Wanda und Natascha hatten ebenfalls tiefe Augenringe vorzuweisen und gähnten immer wieder verstohlen. Das gestrige Treffen in Joannas Zimmer hatte sich wider Erwarten bis tief in die Nacht gezogen. Dem ersten Film waren noch drei weitere gefolgt und dazu Unmengen an Essen. Es hatte viel Spaß gemacht. Jo musste ein Schmunzeln unterdrücken, denn letztendlich hatte jede von ihnen peinliche Geschichten aus dem eigenen Leben erzählt. Hauptsächlich aus dem Liebesleben und ihre persönlichen Erfahrungen mit Männern. Wobei Jo bei dieser Thematik wenig beizutragen hatte und hauptsächlich zugehört sowie Fragen gestellt hatte. Deswegen war sie erst gegen drei in ihr Bett gewankt. Was auch der Grund war, weshalb Jo etwas griesgrämig in eine große Tasse Kaffee blickte. Sie mochte das Getränk eigentlich nicht, aber nur schwarzer Kaffee konnte bei ihr den Mangel an Schlaf halbwegs richten.
Sie warf einen Blick zu ihrem Vater, welcher sich das Schauspiel belustigt ansah. Denn im Gegensatz zu den Frauen sah er ausnahmsweise ausgeruht aus. Jo sah das Grinsen, welches er hinter seiner Kaffeetasse zu verstecken versuchte und wandte sich mit einem abfälligen Schnauben ab. Automatisch fiel ihr Blick auf Pietros Platz, der aktuell leer war. Er war zwar noch nicht lange weg, aber sie vermisste ihn dennoch sehr. Sie seufzte und sah etwas missmutig auf ihren Teller und griff nach ihrem Toast.
Gerade hatte sie ein halbherziges Lächeln in Buckys Richtung zustande gebracht, als der Aufzug sich erneut öffnete und Happy eilig eintrat. In seinen Händen hielt er einen großen Umschlag. Jo sah mit einem Lächeln in seine Richtung und musste stutzen. Selten sah sie den Mann wirklich ernst. Sonst hatte er für sie doch immer ein Lächeln übrig. Happy steuerte nach einem knappen Gruß zügig auf ihren Vater zu und überreichte ihm wortlos den Umschlag. Da Jo wie üblich neben ihrem Dad saß, warf sie einen flüchtigen Blick auf das Logo, welches den Umschlag zierte. Ihr Gesicht fror ein, als sie es erkannte.
Der Brief war vom Jugendamt.
Pepper, die auf der anderen Seite von Tony saß, sah ebenfalls erstaunt auf das Logo. Sie hob ihren Blick zu Jo und sah sie ratlos an. Jo derweil sah zu ihrem Dad, der ebenfalls gebannt auf das Logo blickte, bevor er den Umschlag öffnete und den Brief herauszog. Schnell überflog er das Schreiben und Joanna sah wie sich sein Gesicht beim Lesen merklich verdüsterte.
„Dad? Was ist das für ein Brief?" Fragte Jo schließlich in die Stille hinein, die nach Happys Ankunft entstanden war.
Ihr Vater legte den Brief hin und sah sie ernst an. „Erinnerst du dich an den Mann von meiner Geburtstagsparty, der sich dir gegenüber so daneben benommen hat?"
„Ja?" Antwortete Jo zögerlich. Ihr war nicht ganz klar, was dieser Mann mit dem Brief zu tun hatte. Und sie hatte gehofft sich nicht mehr an diesen Vorfall erinnern zu müssen.
„Grey ist, nachdem wir sämtliche Geschäftsverbindungen zu ihm gekappt haben, wie es aussieht schnurstracks zum Jugendamt gelaufen und hat mich angeschwärzt." Tony schnaubte, als er sich noch einmal den genauen Wortlaut durchlas. „Letztendlich steht darin, dass meine Eignung als Vater angezweifelt wird, da ich dich auf eine Party gelassen habe auf der Alkohol ausgeschenkt wurde. Anscheinend hat er tatsächlich einen Dummen in der Behörde gefunden."
„Ernsthaft?" Jo hatte die Augen erstaunt aufgerissen, als ihr Dad ihr den Sachverhalt erklärte. „Wir waren Zuhause. Nicht irgendwo draußen Party machen!"
„Ich bin auch nicht sonderlich glücklich mit dieser Entwicklung. Zudem hat sich dieser Behördenheini für heute angemeldet." Tony verzog kurz sein Gesicht, als er daran dachte, dass jemand in seinem Reich herumschnüffeln würde. Jo konnte es ihm nicht einmal verübeln. „Es wird zudem um ein Einzelgespräch mit dir gebeten."
„Weshalb? Die Person, die kommt, hat sowieso schon eine vorgefertigte Meinung. Das Gespräch mit mir ist doch nur der Vollständigkeit halber." Jo verstummte und überlegte kurz. „Und überhaupt. Was wenn ich erzähle, dass Grey sich an mich herangemacht hat? Das ist doch wohl dann schlimmer, als wenn ich etwas getrunken hätte."
„Frag mich nicht was er sich dabei gedacht hat." Erwiderte Tony. „Der einzige Grund weswegen er uns das Amt auf den Hals hetzt, ist aus Rachsucht. Ihm geht ein Haufen Geld durch die Lappen, dadurch das er nicht mehr mit uns arbeitet."
„Verdient." Warf Pepper verstimmt ein. Sie stand auf. „Wenn ihr mich entschuldigt. Ich rufe Mr. Barnes an und schildere ihm den Sachverhalt. Vielleicht hat er einen Vorschlag was wir machen sollen."
Tony sah sie mit einem Lächeln an. „Das klingt nach einer guten Idee. Vielleicht kann er vorbeikommen."
Pepper, die bereits ihr Telefon in der Hand hatte, nickte zustimmend und verließ schließlich den Raum. Mit einem abfälligen Schnauben las sich Jo den Brief durch. Als ein Echo hörte sie das Schnauben Buckys, der aufgestanden war und jetzt über ihre Schulter hinweg ebenfalls den Brief las.
„Können wir nicht einmal ein paar ruhige Tage haben?" Jammerte Jo schließlich und lehnte sich zurück.
Ihr Vater warf ihr einen mitleidigen Blick zu. „Ich weiß nicht was du dich beschwerst. Immerhin war es die letzten Wochen seit meinem Geburtstag relativ ruhig." Er verzog sein Gesicht zu seinem üblichen Grinsen. „Aber ich muss zugeben, dass seitdem du mein Kind bist, es noch aufregender in meinem Leben geworden ist. Da wären mir manchmal ein paar Bösewichte deutlich lieber."
Auf diese Aussage hin warf Jo ihrem Vater einen bösen Blick zu. Aber sie schwieg, da sie wusste, wie er es gemeint hatte. Jo hatte nicht erwartet noch etwas von diesem Mann zu hören. Es war ein unerfreuliches Erlebnis gewesen, welches sie schon fast vergessen hatte. Seitdem hatte sie an anderes gedacht und auch Wichtigeres zu tun gehabt.
„Können die tatsächlich etwas machen?" Fragte Bucky schließlich. Noch immer stand er hinter Jo und sah beinahe besorgt auf sie hinunter.
„Glaub ich nicht." Antwortete Tony wahrheitsgemäß. „Das einzige was geschieht ist, dass ich wahrscheinlich einen Klaps auf die Finger bekomme. Vielleicht auch eine Geldstrafe."
„Du hättest ihr nicht erlauben dürfen auf die Party zur gehen." Knurrte Bucky ungehalten in Richtung des Erfinders. „Dann hätten wir das Problem gar nicht."
„Wirklich?" Angesprochener hob skeptisch eine Braue. „Was hätte ich stattdessen machen sollen? Hätte ich sie in ihrem Zimmer einsperren sollen?"
„Das nicht." Gab Bucky unwillig zu. „Ach, was weiß ich. Es hätte anders laufen sollen!"
„Hätte, hätte..." Murmelte Joanna vor sich hin. Sie sah zu den beiden Männern. „Jetzt ist es sowieso zu spät. Wann kommt dieser Mensch?" Fragte sie in Richtung ihres Vaters.
Dieser sah kurz auf den Brief und suchte nach der Information. „Heute Nachmittag um zwei."
Jo dachte kurz nach, bevor sie ihrem Vater ein kleines Grinsen zuwarf. „Soll ich einen auf vorbildliche Tochter machen?"
Ihre Aussage brachte ihren Vater nur dazu skeptisch eine Braue zu heben. „Bist du das sonst nicht? Was hast du da im Sinn? Etwa Nadelstreifen?" Gab er schließlich ebenfalls mit einem Grinsen von sich.
Daraufhin schüttelte Jo nur lachend ihren Kopf. „Wir wollen ja nicht gleich übertreiben. Aber wenn die schon schnüffeln wollen, dann zeigen wir ihnen das wir total normal sind."
„Normal?" Fragte Bucky. Dabei strich er sich mit seiner Metallhand übers Kinn.
Jo sah auf seinen Arm und stockte kurz. Schließlich erschien auf ihrem Gesicht wieder ein Lächeln. „So normal wie es bei uns nun mal ist."
„Das kann ja nur schiefgehen." Kommentierte Wanda ihren Plan und sah hinter einer Zeitschrift hervor. Aber trotz ihrer Worte lächelte sie.
„Nicht wahr!" Jo sah die Rothaarige strahlend an und stand vom Frühstückstisch auf. Schließlich lief sie in Richtung des Aufzugs. „Ich brauch unbedingt passende Kleidung!"
„Übertreib es bloß nicht!" Rief ihr Vater ihr hinterher.
Jo grinste ihn durch die sich schließenden Türen bloß an.
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An ordinary extraordinary Life
FanfictionWenn Joanna ihr Leben beschreiben sollte, dann wäre 'trostlos' das erste was ihr einfiele. Ihre Mutter tot und der Vater unbekannt. Also lebte sie bei ihrer Tante, der sie so ziemlich egal war. Heute fand die Testamentseröffnung statt, bei der sie e...