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Tief in Gedanken saß Jo auf ihrem Sofa und besah sich die Zimmerwand. Nach der Szene in der Eingangshalle hatte sie sich hierher zurückgezogen. Nach den vorherigen Ereignissen sollte sie doch glücklich sein, aber was war das dann für ein nagendes Gefühl in ihrem Inneren?

War es Angst?

Pietro hatte sich erinnert. Er war wieder da. Nachdem er mitansehen musste, wie Alex sie küsste. Jo verzog ihr Gesicht. Der arme Alex. Er wollte verständlicherweise nicht bleiben, nachdem Pietro wieder zurückgekommen war. Joanna hatte ihm ansehen können, dass es ihn schmerzte seine Chancen endgültig schwinden zu sehen. Dennoch hatte er für sie ein aufmunterndes Lächeln übrig gehabt, bevor er aus dem Tower gestürmt war.

Die Sache mit Missy hingegen war etwas schwieriger gewesen. Auch sie hatte offenbar erkannt, dass sie verloren hatte und es hier für sie keinen Platz mehr gab. Aber kampflos aufgeben wollte sie nicht. Vielleicht war auch das ein Grund gewesen, weswegen Alex geflohen war. Missy war wie ein Unwetter losgebrochen und hatte angefangen Pietro wüst zu beschimpfen. Jo war klug genug gewesen sich da herauszuhalten, bevor sie selbst noch zur Zielscheibe geworden wäre. Aber nach einigen Minuten und einer schallenden Ohrfeige war es genug für sie gewesen. Joanna hatte die Security losgeschickt, damit sie Missy aus dem Tower entfernte. Was diese aber nur lautstark über sich hatte ergehen lassen. Joanna war sich ziemlich sicher, dass da noch mehr folgen würde.

Aber nicht heute.

Pietro war anschließend von Joanna zur Dr. Cho geschickt worden. Einfach um sicherzustellen, dass es von Dauer war und es ihm tatsächlich gut ging. War es das, was sie jetzt fürchtete? Das seine Erinnerungen wieder verschwinden würden? Nervös kaute sie auf ihren Nägeln. Eine Anwandlung, welche sie nur bei extremem Stress überkam. Kaum, dass ihre Nägel sich nach ihrer Gefangenschaft wieder erholt hatten. Sie schnaubte und ließ von ihren Nägeln ab. Die Warterei machte sie noch verrückt.

Ob er überhaupt kommen würde?

Jo, stellte ihre Beine auf den Boden und machte sich auf aufzustehen, damit sie auf der Krankenstation nachschauen konnte. Damit sie wusste, ob es ihm gut ging. Sie hatte es gerade vom Sofa geschafft, als es an ihre Zimmertür klopfte.

Überrascht zuckte sie zusammen. „Herein?" Einen kurzen Augenblick lang verfluchte sie sich, dass sie so hoffnungsvoll geklungen hatte. Dieses Wort war einfach zu sehr von ihren Gefühlen durchdrungen gewesen.

Sie musste nicht lange warten, denn die Tür öffnete sich und es erschien ein blonder Schopf in dem entstandenen Spalt. Er zögerte, als er die Tür weiter aufzog. Aber er betrat ihr Zimmer nicht.

„Darf ich eintreten?" Fragte er beinahe schüchtern.

Verdutzt sah Jo ihn an. Aber schließlich verstand sie es. Sie waren sich fremd geworden. Joanna nickte und klopfte auf das Polster neben sich. Dieser Aufforderung folgend betrat Pietro das Zimmer, schloss die Tür hinter sich und kam langsam auf sie zu. Er setzte sich neben sie. Aber er schwieg. Ebenso wie sie.

Ihre Blicke trafen sich und sie lächelten sich vorsichtig an, aber dennoch schwiegen sie. So als stünden zu viele Worte zwischen ihnen. Was ja auch der Wahrheit entsprach. Sie waren sich Wochen aus dem Weg gegangen und diese Leichtigkeit zwischen ihnen war verloren gegangen. Jetzt waren sie unsicher in ihrem gegenseitigen Umgang geworden. Es war schwierig, wieder zu ihrem gewohnten Umgang zurückzufinden.

Es war Pietro, welcher ihr Schweigen beendete. Aber dies tat er mit einer Frage, welche Joanna niemals in den Sinn gekommen wäre. Zumindest nicht um dieses längst überfällige Gespräch zu beginnen. Dann war ihr das Schweigen lieber gewesen, als das er so etwas fragte. Dass er überhaupt auf die Idee dazu kam.

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