Kapitel 32 - Panik um Kuina

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Keuchend kam Kyo vor mir zum stehen und stütze sich nach Luft ringend mit seinen Händen auf den Knien ab. „Takara- ich..." er atmete schwer und in seinem Gesicht lag pure Panik. „Ich hab dich gesucht aber seit 2 Stunden... bist du-"  Er brachte nicht einmal einen vollständigen und verständlichen Satz hervor. Beunruhigt legte ich meine Hände auf seine Schultern. Meine gute Laune war wie weggeblasen und bei dem gestressten Anblick von Kyo wurde mir mulmig zu Mute. „Was ist denn-" begann ich und wollte fragen was los sei, doch Kyo unterbrach mich, ohne mir überhaupt zuzuhören. „Kuina, sie-" Er brachte nichts mehr hervor und plötzlich realisierte ich, dass er total gerötete Augen und Tränenspuren auf seinen Wangen hatte. Jegliche Farbe wich aus meinem Gesicht und nun verfiel auch ich in Panik. „Was ist mit Kuina, Kyo? KYO WAS IST MIT KUINA?" schrie ich ihn verzweifelt an. Da fiel es mir auf einen Schlag ein. Die beiden waren gemeinsam in einem Spiel gewesen - doch nicht etwa ein Herzspiel, oder?

Als könne Kyo meine Gedanken lesen antwortete er rasch, jedoch immer noch mit ungleichmäßiger Atmung: „Kein Herzspiel aber... sie ist schwer verletzt. Ich hab versucht dich ausfindig zu machen, da du für sie wie eine Schwester bist aber- du warst nirgends zu finden." Ich schluckte schwer. Während Kuina wahrscheinlich um ihr Leben kämpfte, hatte ich die beste Zeit mit Chishiya in einem Auto gehabt, nicht ahnend was eigentlich im Gebäude vor uns vor sich ging. Kyo richtete sich wieder auf und nahm meine Hand um mich hinter sich her zu ziehen.

Im Krankenzimmer des Beach' angekommen, sah ich sie nicht sofort, da mich die bunten Wände irritierten. Doch nachdem Kyo zielstrebig auf ein bestimmtes Bett zusteuerte, lag Kuina dort mit geschlossenen Augen und ich befürchtete das Schlimmste. Langsam und mit glasigen Augen näherte ich mich ihrem Krankenbett und betrachtete sie genauer. Kratzer waren auf ihren Wangen verteilt und einer Schnitt sogar über das Augenlied entlang. Der Rest ihres Körpers war versteckt unter der dicken Bettdecke und obwohl von Tag zu Tag die Temperaturen hier stiegen, war ihr Gesicht blass und ihre Lippen, von ihrer inneren Kälte, blau.

Aus dem Nichts tauchte eine Frau mit kurzen, schwarzen Haaren und Handschuhen in ihren Händen auf. Sie zog sie sich an, redete kurz leise mit Kyo und trat dann näher an Kuina heran ohne mich wirklich zu beachten. Ich kannte sie- nur woher? „Ann, was soll ich nur tun? Ich will sie nicht verlieren. Ich DARF sie nicht verlieren."
Ann. Ann? Natürlich, Ann!
Die Frau aus der Führungsriege, die damals Arisu, Usagi und mich mit hier begrüßt hatte, dann aber auf Grund eines Zwischenfalls eher gehen musste. Sie sah gestresster aus, als zu der Zeit wo ich noch nicht offizielles Mitglied hier im Beach war, aber vielleicht täusche ich mich da auch nur. Ihr perfekt gezogener Lippenstift war immer noch in der selben Farbe und trotz ihres kalten Blickes, schaute sie Kyo mitfühlend in die Augen. „Sie wird es schaffen, mach dir keine Sorgen." Ein mattes, auch wenn ein wenig gezwungenes, Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie bat mich neutral den Raum zu verlassen wenn ich nicht zu Kuina gehören würde, doch Kyo setzte sich dafür ein, dass ich bleiben konnte.

Eine Stunde später holte er sich 2 Wasserflaschen für uns aus dem Speisesaal und ließ mich für kurze Zeit mit Kuina alleine. Ich nahm vorsichtig ihre eiskalte Hand in meine und schaute betrübt zu, wie sich ihre Atemzüge qualvoll langsam dahin zogen. Wenn ich nur wüsste was passiert war.
Wenn ich nur wüsste wie ich helfen kann.
Wenn ich nur rechtzeitig da gewesen wäre...
Angst kroch wieder in mir hoch und alles drehte sich. Mein Körper begann zu zittern und mein Herz schlug rasend schnell.
Rechtzeitig legte ich Kuina's Hand wieder auf das Bett, in wessen sie immer noch ruhig lag -
Rechtzeitig bevor mir schwarz vor Augen wurde und ich bewusstlos auf den Krankenzimmer Boden sank.

„Kara? Kara, kannst du mich hören? Kara!"
Eine weit entfernte Stimme rief nach mir. War ich tot oder am leben? Ich konnte nichts fühlen, nichts schmecken, nichts wahrnehmen. Wo war ich? Was war passiert? Langsam versuchte ich meine Augen einen spaltbreit zu öffnen, doch es gelang mir nicht. Nach mühsamen kämpfen gegen meinen eigenen Körper, gelang es mir schließlich doch die Augen aufzuschlagen. Über mich gebeugt konnte ich eine verschwommene Person erkennen. Sie sah besorgt aus, doch ihr Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig zu Erleichterung, als sie erkannte das meine Augen sich öffneten. Eine weitere Gestalt trat über mich und nahm mein Gesicht in ihre Hände. Ich nahm alles nur noch gedämpft war und die Gedanken in meinem Kopf waren so unsortiert wie noch nie. Langsam aber sicher wurde das Bild immer schärfer und ich erkannte die beiden Personen, die sich um mich kümmerten. „Bin ich- was ist-?" Mein Mund war trocken, was es mir nochmals mehr erschwerte Worte daraus zu entlocken. „Du bist in Sicherheit." hauchte die Person, dessen Gesichtsausdruck eben von Panik zu Erleichterung übergegangen war. Chishiya.
Ann drehte meinen Kopf zu ihr, damit sie mein Gesicht gut analysieren konnte. „Sie ist wieder stabil." wandte sie sich erst an Chishiya, der seine Augen nicht von mir abwenden konnte, und schließlich dann an mich. „Man, hast du uns einen Schrecken eingejagt. Wie geht es dir? Lassen die Kopfschmerzen langsam nach?"

Fragen. Zu viele Fragen. Ich wusste nicht, wie oder was ich antworten konnte, also öffnete ich meinen Mund nur um ihn dann wieder zu schließen. „Schon okay, komm erstmal wieder an. In 20 Minuten komme ich wieder um dich zu kontrollieren. Sollte es Komplikationen geben, geb mir sofort Bescheid." Der letzte Satz war vermutlich eher an Chishiya als an mich gerichtet und ich starrte ihr nur hinterher, als sie von meinem Bett wegtrat und zu einem anderen hinüber lief. „Kuina- sie-" stammelte ich verwirrt und drehte meinen Kopf zu Chishiya, der mich immer noch ansah, als würde ich jeden Moment wieder bewusstlos wegtreten. „Ihr geht es, sagen wir, besser. Auch ihre Werte sind wieder einigermaßen stabil. Aber gerade geht es um dich." Er nahm sich einen Stuhl, zog ihn näher an das Bett heran und ließ sich darauf nieder. Sachte, als könnte ich jeden Moment zerbrechen, nahm er meine Hand und legte seine andere darüber. „Ich hab mir..." er stockte kurz, unsicher darüber, ob er die nächsten Worte aussprechen sollte. „...Sorgen gemacht." vervollständigte er den Satz so leise, dass selbst ich ihn kaum hören konnte. „Was ist passiert?" fragte ich, um die unangenehme Stille zu unterbrechen. Chishiys zuckte ratlos mit den Schultern. „Das weiß keiner so genau. Kyo hat dich reglos vor Kuina's Bett aufgefunden nachdem er euch beiden nur etwas zu trinken holen wollte. Ich war zufällig in der Nähe und hab seinen Schrei gehört."

„Ah." gab ich nur knapp zurück. Ich wusste nicht warum ich umgekippt war. Vielleicht hatte Niragi Recht und das war wirklich mein 'Ding'. „Jetzt kann ich den Namen Blackout-Girl auch nachvollziehen." erwiderte ich lachend im Flüsterton. Auch Chishiya konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Ja..." Dann wurde es wieder still, doch in diesen Sekunden schauten wir uns nur an- müde und erschöpft. Mein Blick wanderte zu der batteriebetriebenen Uhr auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett und die Zeiger standen auf 3:15 in der Nacht. Ich stieß einen Seufzer aus und schaute wieder zu Chishiya. „Kann ich Kuina sehen?" platze es endlich heraus, da es mir schon die ganze Zeit auf der Zunge lag. Er runzelte nachdenklich die Stirn. „Willst du dich nicht erst noch ausruhen? Du warst ziemlich weggetreten." „Bitte Chishiya! Ich hatte genauso Sorge um sie, wie du um mich." gab ich flehend zurück. Er atmete tief ein und aus, schaute sich um und nickte anschließend.

Hand in Hand gingen wir langsam voran bis hin zu Kuian's Bett. Von Ann war keine Spur zu sehen, also hatte ich auch nicht die Befürchtung gleich wieder in mein Bett verbannt zu werden. Bei ihr angekommen, lag sie immer noch mit geschlossenen Augen und Kyo an ihrer Seite da. Jedoch hatte ihr Gesicht eindeutig wieder mehr Farbe und ihre Atmung war wieder gleichmäßig und in normalen Abständen. Kyo sah auf, als er uns von der Seite wahrnahm und lächelte abrupt. „Dir geht es also wieder gut! Das freut mich." Sein Lächeln war ansteckend und ich gab es ihm zurück. „Ja, keine Ahnung was vorhin mit mir los war. Entschuldige." „Kein Grund sich zu entschuldigen!" winkte er lässig ab. „Ich bin froh das es euch beiden wieder gut geht." Bei diesem Satz viel mein Blick auf Kuina und meine Mundwinkel zogen sich nach unten. Sie sah um ehrlich zu sein nicht so aus, als ginge es ihr so richtig gut. Kyo und Chishiya folgten meinem Blick und in dem Moment, zuckten Kuina's Augenlider.

Ich trat näher an sie heran. „Vorhin war sie schon einmal wieder wach." sagte Kyo, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Sie schlug die Augen auf und blickte, genauso verwirrt wie ich es eben war, umher. „Kyo?" gab sie leise von sich, als sie sein Gesicht erblickte, welches sich sofort aufhellte bei der Erwähnung seines Namen. „Ich bin da...ich bin da." Ihr Kopf neigte sich zur anderen Seite, bis ich vollkommen in ihrem Blickfeld war. Ihre blassen Lippen ließen ein Lächeln zu und leise aber verständlich murmelte sie: „Du bist doch noch gekommen." Mein Lächeln verzog sich zu einer traurigen Grimasse und mit einem Mal fühlte ich mich angegriffen. „Du hast- Du hast gedacht, ich besuche dich nicht? Du hast gedacht ich lasse dich einfach hier liegen?" Wieso dachte Kuina so über mich? Was hatte ich getan, das sie solche Gedanken in der Gegenwart von mir hatte? Auch ihr Lächeln verschwand und sie lenkte ihren Kopf geradeaus, sodass sie an die grüne Wand mit gelben Verzierungen starrte. Beschämt zuckte sie mit den Schultern. Damit verließ ich den Raum, um frische Luft zu schnappen. Ich wusste nicht welches Gefühl in mir auf kam.
Verletzlichkeit? Trauer? Wut? Verwirrung?
Vielleicht war es auch alles auf einmal.

Draußen angekommen, war das erste was ich tat, mir gestresst eine Zigarette aus der versteckten Innenseite meines neuen Hemdes zu nehmen und sie anschließend mühsam, da meine Hände zitterten, versuchte anzuzünden. Das Feuerzeug fiel mir auf den Boden und vor lauter Gefühlschaos, stieß ich einen wütenden Schrei aus, der bestimmt alle Bewohner im Beach aufweckte. Nachdem ich fertig war, wollte ich das Feuerzeug aufheben, doch eine andere Hand kam mir zuvor. Ehe ich mich versah, stand die andere Person wieder während ich noch hilflos auf dem Boden hockte. Mein Blick wanderte hoch und ich starrte in das mit den Augenbrauen hochgezogene Gesicht von Niragi.

Ausgerechnet DER.

Chishiya X Reader X Niragi - Now the Decision is yoursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt