Kapitel 33 - Was ist Liebe

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„Wieso erwisch ich dich ausgerechnet immer in genau dieser Verfassung." gähnte er beinahe, entriss meiner Hand die Zigarette und zündete sie sich selbst an. Er nahm einen tiefen Zug und schaute immer noch wartend auf mich herab. Langsam erhob ich mich und rollte mit den Augen. Seit unserer gemeinsamen Nacht hatten wir nicht wirklich miteinander geredet. Einerseits lag es daran, dass ich viel Zeit mit Chishiya verbrachte doch andererseits hatte ich mich bisher vor dieser Situation gedrückt, weil ich Angst davor hatte, wie sie aussieht und wie sie endet. In Niragi's Augen erkannte ich Stress und dasselbe Problem wie meins: Gefühlschaos. „Ich such mir nicht aus, dass du einfach in den unpassendsten Momenten auftauchst. Ist anscheinend dein Spezialgebiet." gab ich stumpf zurück. Niragi stieß nur ein höhnisches Schnauben aus und nahm einen weiteren Zug. Ich legte den Kopf schief und schaute ihm nachdenklich dabei zu. „Kann es sein, dass dir irgendwas auf dem Herzen liegt?" schoss es aus mir heraus. Ich hatte mit allem bei unserem nötigen Gespräch gerechnet, aber nicht damit, dass ich so etwas fragen würde, und doch war dem nun so.

Niragi hingegen schaute mich getroffen an und wollte es eindeutig leugnen. „Was redest du da? Hörst du dir eigentlich selber zu?" Seine harsche Art und Weise mir klar zu machen, dass es ihm angeblich zu 100% gut ginge, gefiel mir ganz und gar nicht. „Ich hab dich nur nett gefragt, ob du mit mir über etwas reden willst. Vergreif dich nicht im Ton gegenüber mir wenn du selbst zu viele Probleme hast, denn eindeutig sind diese nicht meine Schuld!"  Er machte mich in dem Moment so verdammt sauer und ich spürte die selbe innerliche Wut in mir aufsteigen, die ich bei meiner Ankunft gegenüber ihm empfunden hatte. Obwohl er immer einen dreisten Spruch auf Lager hatte, schwieg Niragi und zog ein weiteres Mal an der Zigarette, bevor er sie auf den Boden schmiss und mit seinem Schuh zertrampelte. Er war ungewohnt ruhig in diesem Augenblick und es passte so ganz und gar nicht zu ihm. In selben Moment konnte ich das Glitzern in seinen Augen erkennen und eine leise Träne kullerte anschließend seine Wange hinunter.

Er war auch nur ein Mensch.

Er hatte genauso das Recht Gefühle zuzulassen wie Ich. Wie Kiko. Wie Chishiya. Wie jeder Mensch auf der Welt. Auch wenn es komisch war neben Niragi, dem größten Arschloch auf Erden, zu stehen und ihm dabei zuzusehen wie eine Träne seine Augen verließ, hatte auch er nur Gefühle. Viele Menschen vergessen das oftmals, weil die Person die wir betrachten und hoch ansehen, immer so stark und machtvoll scheint, doch in Wirklichkeit hat jeder von uns so eine Seite. Eine Seite, die uns zerriss, wenn wir es am wenigsten gebrauchen konnten. Eine Seite, die wir anderen ungern oder sogar gar nicht zeigen.

Eine Seite, die uns zeigt, dass wir alle nur Menschen sind und am Ende gemeinsam und mit Hilfe von Freunden, Familie oder anderen wichtigen Menschen/Dingen in unserem Leben, Seite an Seite gegen unsere tiefsten Wunden kämpfen.

Unsicher näherte ich mich ihm, doch er wich nicht zurück. Als ich vor ihm angekommen war, umarmte ich ihn und Niragi bewegte sich immer noch kein Stück. Er ließ es einfach zu und als ich das erkannte fing auch ich an zu weinen. Er schlang seine Arme um mich und wir gaben uns gegenseitig den Halt, den wir gerade am nötigsten brauchten. Nach geschätzten zwei Minuten sanken seine Arme wieder an seinen Körper und auch ich gab ihn frei. Musternd starrte ich ihn an, seine einzelne Träne von vorhin war längst getrocknet und er schaute nur noch betrübt zu Boden. Als er meinen Blick auffing räusperte er sich schnell, doch ich kam ihm zuvor. „Danke." Niragi legte fragend seinen Kopf schief. „Danke, dass du- da bist." erweiterte ich meinen laut ausgesprochenen Gedanken. Eine Weile sagte er nichts. „Dir auch." murmelte er schließlich doch und es hörte sich wirklich ernst gemeint an. Verlegen schauten wir uns an und fingen mit einem Mal an zu lachen, da wir uns wie Kleinkinder benahmen, die sich nach einem Streit um ein Spielzeug wieder vertragen hatten. Das nahm mir meine Anspannung von eben und ich atmete tief durch. „Drink?" warf Niragi ohne Kontext in den Raum und ich nickte zustimmend.

Chishiya X Reader X Niragi - Now the Decision is yoursWo Geschichten leben. Entdecke jetzt