13. Granatapfelduft und Sonnenschein

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Ich wusste nicht mehr, wie viel Zeit ich unter der Dusche verbracht hatte. Aber als ich dann barfuß, meine nassen Haare und mich selbst in Handtücher eingewickelt und nach Granatapfel duftend wieder in Sky's Schlafzimmer stand, lagen da schon sauber gefaltet ein paar frische Klamotten auf dem Bett. Meine alten Sachen, oder besser gesagt die Fetzten, die einst meine Sachen gewesen waren, hatte ich in den Mülleimer im Badezimmer entsorgt.

Schnell zog ich die Unterwäsche, die Jeans- Shorts und das weiße Tang- Top über, bevor ich langsam die Treppe runterging. Bei jedem Schritt stützte ich mich an der Wand ab, um nicht vornüber zu kippen, ich war immer noch recht wackelig auf den Beinen, aber das Schwindelgefühl hatte zum Glück etwas nachgelassen.

Unten angekommen ließ ich mich auf das Sofa fallen, dass schräg gegenüber der Tür stand, und sah mich um.
Sky war bestimmt etwas erledigen gegangen, sie hatte als Heilerin wahrscheinlich sehr viel zu tun.

In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und ich blinzelte heftig, als das helle Sonnenlicht mich blendete. Ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter, kam hereingestürmt und zog einen genervt dreinblickenden Jungen mit sich.

„Ist sie das?", rief das Mädchen über die Schulter und sah mich dann neugierig an, als würde sie etwas Bestimmtes von mir erwarten. Sollte ich jetzt Purzelbäume schlagen oder was?

Ich betrachtete sie genauer. Ihre Gesichtszüge ähnelten sehr denen von Sky, und sie hatten die gleiche Haarfarbe, anders als die ihrer großen Schwester waren die Augen des Mädchens jedoch dunkelbraun, und nicht dunkelblau. Sie war auch kräftiger gebaut, mit einem durchtrainierten Körper und Kurven an den richtigen Stellen.

„Was glaubst du, wie viele Mädchen, die einen Autounfall überlebt haben, hält deine Schwester in ihrem Haus?", fragte der Junge sichtlich schlecht gelaunt.

Mein Blick wanderte zu ihm herüber und blieb an seinen Augen hängen. Sie waren grau, mit blauen Sprenkeln und von dichten, dunklen Wimpern umrahmt. Unter seinem grauen Shirt konnte man deutlich Muskeln erkennen, und seine dunklen Haare waren leicht zerzaust, als wäre er aus dem Bett gefallen. Jedoch konnte man eine Tatsache nicht leugnen: Er sah echt gut aus. In der Schule wäre er wahrscheinlich einer der heißbegehrten Typen, die an jemandem wie mir aber eh kein Interesse hätten.

In diesem Augenblick richtete er seine Augen auf mich und ich zuckte zusammen, als ich blanke Wut und Hass darin erkannte.

Es fühlte sich an, als hätte mir jemand ins Gesicht geschlagen, und ich sah schnell zur Seite. Meine Wangen glühten rot, und ich heftete meinen Blick auf eines der Kräuterbündel, das über der Tür hing.

Da kam Sky herein und unterbrach die erdrückende Stille.

Sie lächelte mir entschuldigend zu. „Thalia, das ist meine Schwester Morgan.", meinte sie und deutete auf das Mädchen.

Morgan grinste. „Ich sehe, dir passen meine Sachen."

„Was?", fragte ich verblüfft. Ich war auf alles vorbereitet gewesen, nur nicht auf das. „Ähmm... ja, die Sachen. Die passen mir", brachte ich unsicher heraus.

Der Junge schnaubte verächtlich.

Was hatte der denn für ein Problem?

Wir hatten uns noch nie zuvor getroffen, und er schien mich schon zu hassen. Das fing ja echt toll an.

„Und dieser immer gut gelaunte, strahlende und nette kleine Sonnenschein neben mir", Morgan zeigte auf ihn und kicherte, als sie seine Miene sah, „ist Tony."

Der kleine nette Sonnenschein sah genervt zur Seite und brummte: „Antonio."

Ah ja.

Morgan knuffte ihn in die Seite, dann kam sie auf mich zu und umarmte mich. Verblüfft erwiderte ich die Umarmung.

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt