64. Entscheidung

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Tu es. Es wäre für alle das Beste.

Ich merkte, wie der Boden vor meinen Augen verschwamm und schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können.

Du könntest zurück in dein altes Leben.

Obwohl ich die letzten Wochen und Monate immer wieder verflucht hatte, musste ich mir eingestehen, dass mir das Rudel, meine neuen Freunde und das Leben als Wolf ans Herz gewachsen waren.

Wäre ich im Stande, auch dies wieder zurück zu lassen?

Mein Mund wurde trocken, ich ballte eine Hand zur Faust. "Ich werde mich nie wieder verwandeln können?

Abwartend sah ich Alexandra und Lune an, bis schließlich meine Mentorin einen Schritt vortrat. Traurig nickte sie. "Ja. Du wirst wieder ein normaler Mensch sein."

War es wirklich das, was ich wollte?

Wenn du es nicht tust, wirst du wieder die Kontrolle über dich verlieren. Und dann wird dich keiner mehr daran hindern können, jemanden umzubringen.

"Ich mach's."

Lune hatte sich für mich geopfert, ich gab mir die Schuld an Alexandras Tod. Und diese Blockade war das Geringste, was ich jetzt tun könnte.

Lune nickte, dann winkte sie mich näher. "Ich will dir keine falschen Hoffnungen geben, bis jetzt hat noch keiner es geschafft, diese Blockade zu brechen. Allerdings gibt es Legenden darüber, dass jemand mit einem starken Willen dazu in der Lage ist, dies zu tun."

"Es... Es ist besser so", brachte ich heraus.

"Thalia", meinte meine Mentorin besorgt. "Hast du dir das gut überlegt? Es gibt bestimmt einen anderen Weg, du musst das nicht tun."

"Doch." Ich holte tief Luft. "Es geht hier nicht um mich, nicht nur."

Lune strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, ihre hellen Augen funkelten konzentriert. "Gib mir deine Hand." Zögernd streckte ich meinen Arm aus, und sie ergriff meine zitternden Finger.

"Wird es weh tun?", wollte ich leise wissen.

"Du hast schon schlimmeres erlebt", meinte Lune, was mich überhaupt nicht beruhigte. "Schließ deine Augen."

Ich tat wie befohlen und ignorierte das in mir aufkommende Gefühl von Angst.

Du kannst damit alles beenden.

Immer wieder wiederholte ich diese Worte, und konzentrierte mich auf etwas anderes. Ich dachte daran, dass Mum bald in Sicherheit sein würde, und endlich ein normales Leben Führer konnte.

Während Lupas Tochter vor sich hin murmelte, spürte ich, wie etwas in meinem inneren sich regte.

In meinen Ohren rauschte es, und die aufsteigende Hitze war unerträglich. Es fühlte sich an, als würde ich langsam von innen verbrennen, ein lautes Kreischen erfüllte meinen Kopf.

Ich wollte schreien, mich losmachen, doch ich war in meinem Körper gefangen wie in einem engen Raum. 
Der Schweiß rann mir dir Stirn hinunter, auf meiner Haut prickelte es.

Kurz bevor ich sehr nah dran war, das Bewusstsein zu verlieren, schaffte ich es meine Augen zu öffnen.

In meinem Sichtfeld tanzten schwarze Punkte, doch ich erkannte gerade noch die Umrisse von Lune, die hell aufzuglühen schien.

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt