22. Tick, Tack

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Müde ließ ich mich auf das Sofa in dem kleinen Wohnzimmer fallen im Haus Nr.7 fallen. Das war alles so verwirrend gewesen. Die Verwandlung, das Treffen mit den anderen Wölfen, mit meiner Mentorin...Ich schloss die Augen und versuchte, alles wenigstens für einen Augenblick zu vergessen, doch es gelang mir nicht. Ich hatte immer noch die Szene von eben vor Augen, die Worte klangen immer noch in meinen Ohren...

*Flashback*

Wie ich sehe, ist meine neue Schülerin doch nicht so unerfahren, wie mir zugetragen wurde.

Ich... äh... aus versehen, stammelte ich und blickte verlegen zu Boden. Ein helles Lachen erklang, und ich sah wieder auf. Die Wölfin schaute mich sanft aus ihren Haselnussbraunen Augen an, und ich konnte ihr warmes Lächeln spüren.

Ich bin Alexandra, deine neue Mentorin, und ich freue mich wirklich, dass mir diese Ehre verliehen wurde.

Nervös warf ich Blicke zur Seite und bemerkte, wie Morgan und Antonio respektvoll die Köpfe geneigt hatten, und ich tat es ihnen mit einiger Verspätung nach, als die Worte in meinem Kopf nachklangen. Dann hörte ich Morgans aufgeregte Rufe.

Mum, Dad!

Sie rannte aufgeregt auf die beiden Wölfe zu, die hinter Alexandras Rücken hervorgetreten waren. Die helle Wölfin, die ihr sehr ähnlich sah, leckte ihrer Tochter liebevoll über den Kopf, dann wandte sie sich mir zu, und kam mir auf leichten Pfoten entgegen.

Thalia, ich freue mich, dass du endlich zu uns gestoßen bist, hörte ich ihre weiche Stimme in meinem Kopf. Und du bist so gewachsen...Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, hattest du noch eine dicke Windel an und bist Marelyn und mir immer hinterher gekrabbelt...

Sie bemerkte meinen verwirrten Blick und erklärte: Ich habe deine Mutter anfangs oft besucht, als sie sich für ein neues Leben entschieden hatte. Aber dann ist sie mit dir immer wieder umgezogen, bis ich euch schließlich aus den Augen verloren habe.

Ich suchte in meinem Gedächtnis nach etwas, dass mich an diese Wölfin erinnerte, doch ich fand nichts. Wie alt muss ich da gewesen sein?

Ein Jahr, oder zwei?

Anne, könntest du die Kinder mitnehmen und schon mal zurück zum Lager gehen?, kam unvermittelt Alexandras Stimme. Ich würde gerne noch etwas mit Thalia besprechen.

Morgans Mutter nickte und ging mit ihrem Mann voraus, ihre Tochter und Antonio im Schlepptau. Nervös trat ich von einer Pfote auf die andere.

Komm. Ich folgte Alexandra, bis wir einen kleinen Bach erreicht hatten. Wer weiß alles von deiner Gabe?

Überrascht sah ich auf. Woher...?

Sie sah mich beruhigend an. Marelyn hat mir vor einiger Zeit davon erzählt, ich war eine der wenigen Personen, denen sie noch vertrauen konnte. Also, wer weiß es noch?

Ich dachte nach, und zählte nacheinander die Personen auf. Also, Sky hat es als erstes rausgefunden, und sie hat es nur Morgan und Antonio erzählt. Und Olivia hat sie belauscht, sie weiß es auch. Aber sonst glaube ich nicht, dass es jemand mitbekommen hat.

Sie sah erleichtert aus, doch in meinem Kopf kamen neue Fragen auf. Neue Fragen, die sich den restlichen tausend anschlossen.

Warum ist das denn so wichtig, dass keiner es erfährt?, platzte es aus mir heraus. Warum soll ich das geheim halten? Ihr tut so, als wäre das irgendwas besonderes, aber es gibt doch auch andere Wölfe, die Gaben haben!

Thalia, du bist etwas besonderes, versuchte meine Mentorin zu erklären. Deine Gabe kann gefährlich für manche Leute sein, für Leute wie Nicolas. Und deswegen...

Ich schnaubte ungläubig, und spürte, wie wieder Wut in mir aufstieg. Ständig sagen mir irgendwelche Menschen, dass ich besonders sein soll. Die Worte entschlüpften mir, ich konnte und wollte sie nicht mehr zurückhalten. Ich lud meine ganze Wut, meine ganze Verwirrung und meinen Schmerz in sie. die ganze Zeit sagt mir irgendwer, dass irgendwie ein Stück von irgendeiner Seele in mir weiterlebt, dass ich eine Verbindung zu Lupa habe. Aber ich kann meine Gabe nicht beherrschen, und das einzige, was an mir besonders ist, ist dass ich nicht weiß, wie man als Wolf lebt. Ich will das alles nicht, ich will in mein altes Leben zurück! Sucht euch eine andere Person für diese tolle Prophezeiung, die wenigstens weiß, was sie machen muss und weiß, wovon ihr alles sprecht! Wütend drehte ich mich um. Das alles war doch lächerlich. In mir sollte ein Teil von Lupas Tochter weiterleben? Na klar. Sonst noch was? Ach ja, und wie sollte ich bitte für einen Mann wie Nicolas gefährlich werden und die Welt vor irgendwas retten, wenn ich es noch nicht einmal übers Herz brachte, eine Spinne zu zerquetschen?

Thalia. Die Stimme meiner Mentorin war leise. Dreh dich um, ich will dir was zeigen. Widerwillig sah ich sie wieder an, sie deutete auf das plätschernde Wasser des kleinen Bachs. Du sagst, du bist nichts Besonderes? Du sagst, du hättest nichts mit Lupa zu tun? Dann erklär mir bitte das.

Verwirrt blickte ich ins Wasser, und zunächst sah ich nur die sich in den kleinen Wellen spiegelnde Sonne. Endlich gewöhnten sich meine Augen an das helle Licht und mir stockte der Atem, als ich mein Spiegelbild sah.

Das konnte nicht sein.

Mein Fell war silbergrau, und meine Wolfsgestalt erinnerte mich an die von Lupa. Nur meine Augen waren nicht hell wie Mondsteine, sondern leuchtend grün.

*Flashback Ende*

Ich starrte die altmodische Küchenuhr an, die leise vor sich hin tickte. Was hatte das alles zu bedeuten?

War ich wirklich das, was alle von mir glaubten?

Tick.

Konnte es wirklich sein, dass ich besonders war?

Tack.

Und das wichtigste: Konnte ich mit all dem leben, die Prophezeiung erfüllen, ein Wolf sein, meine Gabe beherrschen, und immer noch ich selbst bleiben?


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Sry, dass jetzt etwas länger nichts gekommen ist, aber in meinem Freundeskreis ist etwas schreckliches passiert, und ich hatte eine Schreibblockade...:(

Hmmm, ich habe dieses Kapitel gefühlte tausend mal umgeschrieben, da was weggelassen, da was ergänzt, bis ich endlich einigermaßen zufrieden war. Ich hoffe, es gefällt euch ;)

Doch bevor ich es vergesse: OMG DANKE LEUTE!!!

Über 500 reads, und 100 votes!!! Ich kann es kaum glauben...


Vielleicht schaffe ich als kleines Dankeschön heute ja noch ein Kapi, wer weiß ;-)

Eure AnSo


Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt