37. Sorgen

4.9K 358 7
                                    

Sieben Buchstaben. Eine Aussage, ein Wort.

Eine unmissverständliche Nachricht, mit Blut geschrieben.

Neumond.

Wie in einer Trance streckte ich die Hand aus, meine Finger streiften die kühlen Steine der Mauer.
Auf meinem Rücken spürte ich die Blicke der anderen, hörte das leise Tuscheln, die besorgt geflüsterten Worte.

Sorge, Unruhe, Angst. Und dieser Gedanke, der alles in mir schreien ließ.

"Was geht hier vor?", ertönte hinter mir eine laute Stimme. Unfähig mich zu rühren starrte ich auf meine Handfläche, dir mit Blut beschmiert war. Die Kräfte verließen mich, meine Knie knickten ein und ich spürte den harten Boden an meinen Beinen.

Immer wieder hallten die Fragen in meinem Kopf nach, die mir kalte Schauer über den Rücken jagten.

Wessen Blut ist das? Und was ist mit Mum?

Antonio

Hilflos sah ich zu, wie Thalia langsam einen Schritt nach dem anderen auf die Mauer zu machte.
Die scharlachrote Schrift prangte auf den grauen Steinen wie ein leuchtendes Warnschild.

Dies sollte einer der glücklichsten Tage in ihrem Leben werden, und jetzt das?

Ich wollte zu ihr laufen, doch TJ hielt mich mit eisernem Griff am Arm fest. In seinem Blick konnte ich deutlich seine Angst sehen, doch auch eine wilde Entschlossenheit.

"Lass mich zu ihr", zischte ich, doch er schüttelte nur stumm den Kopf. Ärgerlich sah ich wieder zu Thalia, die behutsam über die blutigen Buchstaben strich. Sie starrte geradeaus, mit leeren Augen und strahlte doch diese Energie aus, die seit unserem ersten Treffen stärker geworden war.

Als ich sie zum ersten mal gesehen hatte, war ich wütend gewesen, aber mehr auf mich selbst, nicht auf dieses Mädchen.

Hinter mit teilte sich die Menge, das Rudel machte unserem Anführer Platz. Nicolas kam mit ernster Miene auf uns zu geschnitten, seine Stimme war leise und durchdringlich.

"Was geht hier vor?"

Niemand antwortete. Alle Aufmerksamkeit lag auf Thalia, die entgeistert ihre blutverschmierten Hände betrachtete, und dann plötzlich Aug die Knie fiel und sich mit letzter Kraft an die Mauer lehnte.

Ihre dunkelblonden Haare fielen ihr vors Gesicht, und doch sah ich die kleine Träne, die ihr die Wange hinunterlief.

Ich hielt es nicht mehr länger aus und riss mich los und rannte fast zu ihr.
Sie sah auf und lächelte traurig, dann lehnte sie ihren Kopf gegen meine Brust.

"Weiß einer von euch, was hier vor sich geht?" Nicolas kam auf uns zu und hob fragend eine Augenbraue. Doch bevor ich meinen Mund aufmachen konnte, kam in der Menge um uns herum Unruhe auf. Ein paar Leute riefen durcheinander, ich spürte wie Thalia sich anspannte.
Ich strich ihr beruhigend übers Haar und sie zitterte leicht.

"Ruhe!", rief Nicolas aufgebracht. Alle verstummten, dann trat einer zwischen den Leuten hervor. Es war einer der älteren Rudelmitglieder, der Mentor von TJ und Steve.

"Es riecht nach Werwölfen", stellte er ruhig fest. Wieder brach unruhigen Gemurmel aus und ich atmete tief ein. Warum war mir das nicht früher aufgefallen? Der stechende Geruch, der mir nur allzu bekannt vorkamen, würde von dem metallischen Gestank des Blutes überlagert, aber er war da.

"Aber was wollen sie?", stellte einer die Frage laut, die so vielen im Kopf umherirrte.

Thalia bewegte sich leicht in meinen Armen, dann sah sie mir tief in die Augen, doch bevor ich sie aufhalten konnte öffnete sie schon ihren Mund.

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt