18. Frühstück

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Am Frühstückstisch herrschte angespannte Stimmung. Antonio hatte mich, mit einem Arm um meine Taille, zurück ins Haus geführt, wo schon alle restlichen Gäste eingetroffen waren.

Und alle, wirklich alle hatten uns angestarrt. Sky sehr erstaunt und eher belustigt, bei Jo hatte ich Angst, dass ihr die Augäpfel aus den Höhlen und auf ihr Toast fallen würden, während Morgan nicht aufhörte zu kichern. Mit hochrotem Kopf setzte ich mich neben Livia, die uns konsequent ignorierte.

Außer kurzem Small-Talk wurde wenig geredet, was mir genügend Zeit zum Nachdenken gab. Heute morgen waren meine Absichten noch klar gewesen: Ich hatte vorgehabt, Antonio so fest ins Gesicht zu schlagen, dass ihm die Tränen kamen. Und jetzt saß er mir gegenüber und hörte nicht auf zu grinsen, was mich immer wieder aus der Fassung brachte.

"Thalia!" Jo rammte mir einen Ellenbogen in die Seite.

"Aua! Wofür war das denn?", beschwerte ich mich vorwurfsvoll und rieb mir die schmerzende Stelle.

"Sky wollte was von dir", erklärte sie scheinheilig, "und du hast die ganze zeit so gruselig dein Brötchen angestarrt."

Sky sah mich entschuldigend an und wandte sich dann an Joanna "Das wäre aber wirklich nicht nötig gewesen." Diese zuckte nur mit den Schultern. "Aber es hat geholfen, also hast du jetzt wirklich keinen Grund unzufrieden zu sein."

"Auf jeden Fall", wandte Sky sich wieder mir zu, "kommt deine Mum heute so um zwölf. Sie bringt dir deine Sachen vorbei, und dann müsst ihr noch ein paar offizielle Dinge klären."

Ich schluckte. Diese offiziellen Dinge klangen nicht sehr verlockend.

"Und bis dahin solltest du dich noch etwas ausruhen, das wird ein anstrengender Tag", fuhr sie fort.

"Ja, das sollte ich wirklich", murmelte ich und schob meinen Stuhl zurück.

"Lass deinen Teller einfach stehen, ich mach später den Abwasch", meinte Morgan, als ich Richtung Spüle wollte.

"Aber du kannst nicht alles machen!", protestierte ich.

"Doch, kann ich." Sie zuckte mit den Schultern. "Und werde ich auch."

Ich seufzte und stellte den Teller ab.

"Dann, bis irgendwann", verabschiedete ich mich von den anderen. Sie nickten mir alle zu.

"Kommst du uns wieder mal besuchen?", wollte Livia wissen.

"Na klar", antwortete ich und drehte mich um. Und stolperte über meine eigenen Füße, als ich die Treppe hochwollte. ich kam hart auf dem Boden auf, und mit hochrotem Kopf wollte ich mich an den Stufen hochziehe.

"Warte, ich helfe dir." Sofort war Antonio bei mir und hielt mir seine Hand hin.

"Danke", murmelte ich, als er mich hochzog. Das war ja so peinlich.

"Ich begleite dich noch nach oben", sagte er so leise, dass nur ich ihn hören konnte. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts mehr.

"Also, was willst du diesmal?", fragte ich und stützte die Hände in die Hüften, als wir in meinem Schlafzimmer ankamen.

"Schönes Zimmer", meinte er stattdessen und grinste.

Ich verdrehte die Augen. "Ja klar. Und jetzt sag mir, warum du hier bist."

Er zuckte mit den Schultern. "Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht die Treppe runterfällst."

"Wie du siehst, bin ich das nicht."

Er grinste wieder, dann standen wir eine Weile so da, keiner sagte etwas.

Antonio kam ein paar Schritte auf mich zu, er stand nun so dicht vor mir, dass ich wieder die Wärme seines Körpers spüren konnte. Als er langsam die Hand ausstreckte und mir eine Haarsträhne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte, hinter mein Ohr schob, hielt ich die Luft an. Ich versank in seinem Blick, bis er schließlich zurücktrat.

"Dann, bis irgendwann", sagte er und grinste mir noch einmal zu.

"Von mir aus", meinte ich leise, als er sich umdrehte und die Treppe runterging.

Seufzend lies ich mich auf ein Bett fallen und starrte an die Decke. Immer wider ertappte ich mich dabei, wie ich an ihn dachte, an seine Augen, seine Gesichtszüge.

Was war nur mit mir los?

Obwohl ich eigentlich erst vor wenigen Stunden aufgestanden war, spürte ich die bleierne Müdigkeit. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr mir der Unfall wirklich zugesetzt hatte, mein Körper schmerzte wieder und mein Kopf schien schwer wie ein Sack Zement.

Ich schloss die Augen, als ich endlich in einen erholsamen Schlaf ohne Wölfe und pinke Einhörner glitt, der mir in den letzten Tagen so gefehlt hatte.


Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt