36. Blutige Nachricht

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"Das ist wunderschön", flüsterte ich ein weiteres Mal, als wir uns voneinander lösten. Ich sah mich mit leicht geröteten Wangen um und betrachtete andächtig unsere Umgebung.

Wir standen auf einer kleinen Lichtung, mitten auf der freien Fläche vor uns war ein kleiner See, die hellen Sonnenstrahlen spiegelten sich auf den kleinen Wellen. Zu meinen Füßen wuchsen unzählige wilde Blumen, eine alte, knorrige Eiche stand am Fuße des Sees und warf ihre Schatten auf das Gras. Vor meinem Gesicht flatterte ein Schmetterling vorbei und ich schaute ihm verträumt hinterher.

Es fühlte sich an, als hätten wir eine andere Welt betreten, eine Welt ohne Schatten, bedrohliche Träume und Sorgen. Für diesen Augenblick war alles vergessen, was mich in den letzten Tagen belastete hatte.

Ich lief lachend zu dem See, das Wasser war so klar, dass ich die runden Steine am Grund erkennen konnte. Mein Spiegelbild sah mir mit vor Glück leuchtenden, grünen Augen entgegen. Das erste Mal seit Wochen sah ich meinem alten Ich wieder ähnlich, doch auch die Veränderungen an mir, an meinem Körper waren kaum zu übersehen.

Ich sah jetzt mehr nach meiner Mum aus.

Antonio trat hinter mich und ich kicherte, als er mir ein Gänseblümchen ins Haar steckte. "Na, wie gefällt es dir hier?", fragte er mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Ich verdrehte lachend die Augen.

"Es ist perfekt."

Sein Grinsen wurde noch breiter. "Ich wusste, dass es dir gefallen wird." Ich bückte mich und pflückte eine Blume. "Woher weißt du von diesem Ort?", fragte ich, während ich gedankenverloren die Blüte zwischen meinen Fingern drehte.

"Ich hab den See hier bei einer meiner Patrouillen gefunden", erklärte er und sah zu, wie ich die Blume zerrupfte. "Keiner außer uns weiß von dieser Lichtung."

Ich kicherte als er mich wieder zu sich in seine Arme zog. "Das hier gehört nur uns", flüsterte er in mein Ohr, sein warmer Atem streifte meine Haare. "Keiner kann uns hier stören."

Bei seinen Worten lief mir ein angenehmer Schauer über den Rücken, doch ich wand mich lachend aus seinem Griff, nachdem ich ihm einen leichten Kuss auf die Wange drückte. Grinsend trat ich ein paar Schritte zurück, dann traf mein Fuß ins leere und ich stürzte mit einem lauten Platschen den See.

Ich kreischte laut auf, als mich die eisige Kälte erfasste und das Wasser meine Klamotten tränkte. Wild strampelnd und um mich schlagend kam wieder an die Oberfläche und bemerkte den laut lachenden Antonio, der am Ufer stand und sich den Bauch hielt.

"Sehr witzig!", fuhr ich ihn an, doch er beachtete mich nicht. Dann kam mir eine Idee und ohne weiter abzuwarten schwamm ich bis zum Rand, streckte meine Hand nach seinem Bein aus und zog kräftig.

Überrascht weiteten sich seine Augen, als er nach vorne kippte und ins Wasser fiel. Diesmal war ich es, die lachen musste und beobachtete, wie er prustend auftauchte und sich das nasse haar aus der Stirn schüttelte. Er sah mich böse an bevor er zum Ufer schwamm und sich an Land zog.

Immer noch lachend tat ich es ihm nach und strich mir die nassen Haare aus dem Gesicht.

Ich hätte ja alles an meinem Geburtstag erwartet, aber das war besser als jedes Geschenk, das man kaufen konnte.

***

Schnell zog ich mir meine Lieblings Jeans - Shorts und ein graues T-Shirt an. Meine anderen Sachen waren immer noch nass von dem kleinen Ausflug an den See, meine Schuhe trockneten auch noch. Bei den Erinnerungen an den klitschnassen Antonio stahl sich mir wieder ein kleines Lächeln ins Gesicht.

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt