»acht {✔️}

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Thalia's POV

Werwolf.

Das Wort hallte in meinen Ohren nach, doch anstatt dass mein Geist sich weiterhin dagegen wehrte und ich in eine weitere Panikattacke verfiel, legte sich eisige Ruhe über meine Sinne.

Werwolf. Ein Wesen, dass sich an Vollmond in ein gefährliches Monster verwandelte.

Waren die Sagen und Geschichten, die mir erzählt worden waren also nicht nur dazu da, Kindern zum einschlafen erzählt zu da? Unzähmbare Bestien, schoss es mir durch den Kopf, blutrünstige Monster.

Wie hatte ich nur so lange blind sein können? Der Typ aus dem Club hatte die gleichen, glühenden Augen gehabt wie der Wolf in der Gasse, alles passte perfekt, nur ich hatte mich mit ganzer Kraft dagegen gewehrt.

"Wolf, Werwolf, Gestaltwandler", sinnierte Lupa gedämpft vor sich hin, als würde sie sich überlegen welches Oberteil sie morgen anziehen sollte. "Gleich, und doch so verschieden..."

Werwolf.

"Ich... ihr habt gesagt, ich gehöre dazu", stockte ich benommen und fröstelte, "Also... ich- ich soll ein Werwolf sein? Das geht nicht!"
Es ergab einfach keinen Sinn. Nein, es war schlichtweg unmöglich.
"Ihr müsst euch irren, das ist es. Ich bin kein... Monster. Keins von diesen Monstern, die sich verwandeln und wahllos Leute umbringen. Sehr ihr?"
Verzweifelt deutete ich in den Nachthimmel, direkt auf den hell leuchtenden Vollmond und dann mit einer ausladenden Geste wieder auf mich. "Keine Reißzähne, keine Ganzkörperbehaarung, ich bin ein Mensch. Nichts weiter, nichts außergewöhnliches."
Nichts Übernatürliches.

"Das liegt daran, dass du auch keine von diesen widerlichen Kreaturen bist." Lupa rümpfte die Nase und schien für einen kurzen Moment in ihren Gedanken verloren, bis sie die Schultern raffte und sich aufrichtete. "Du bist kein Werwolf, nein. Du bist ein Gestaltwandler, ein Mensch mit dem Blut und Geist eines Wolfes. Du bist eine von uns, Thalia."

Wundervoll. "Heißt das, ich bin nicht gezwungen mich an Vollmond unter Schmerzen in ein wildes Tier zu verwandeln und Menschen die Kehle ausreißen?", fragte ich hoffnungsvoll, denn das war das einzige, das ich mir ansatzweise unter dem Begriff Gestaltwandler vorstellen konnte- also auf irgendeine Weise Kontrolle über mich selbst, so hoffte ich zumindest.

"Wir nennen uns auch einfach Wölfe", setzte die schwarzhaarige junge Frau zu einer Erklärung an, in meinem Magen kribbelte es leicht. "Das Wolfsgen verleiht in menschlicher Form Stärke, Schnelligkeit und geschärfte Sinne, dazu kommen in seltenen Fällen noch weitere Fähigkeiten, und natürlich die Verwandlung in einen Wolf."

"Und woher willst du wissen, dass ich in meiner DNA so eine kranke Mutation habe?", kam es eilig über meine Lippen, bevor ich mich selbst aufhalten konnte. Eigentlich wollte ich nichts riskieren, denn meine einzige Möglichkeit Antworten zu bekommen war dieses seltsame Mädchen, das ich auf keinen Fall verärgern durfte.

"Weil du hier bist, Schätzchen", kam Grandma ihr zuvor und lächelte mich warm an, so wie sie es immer schon getan hatte. "Diese Ebene kann man nur als wandelnde, übernatürliche Seele betreten, bevor man weiterzieht. Manche bleiben auch bis in die Ewigkeit hier, ruhelos, auf einer unendlichen Suche..." Bei meinem entsetzten Blick winkte sie beruhigend ab. "Das ist jedoch nicht dein Schicksal, meine kleine Kriegerin. Sagen wir, du bist nur zu Besuch hier. Weil du zu Hälfte Wolf bist, so wie deine Mutter, etwas besonderes... du warst schon immer stark, ich bin so stolz auf dich."

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt