48. Die Versammlung

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"Woran denkst du?", hörte ich Antonio hinter mir und musste kurz Lächeln, doch die Realität holte mich schnell wieder ein. Wir standen vor Sky's Hütte und warteten. Man konnte die Anspannung förmlich in der Luft spüren, die Sorgen um Jason, die Angst vor dem, was eintreten könnte.

"Ach...nichts", murmelte ich abwesend.

"Nichts im Sinne von Ich will es dir nicht sagen, oder Es geht dich nichts an?"

Lachend drehte ich mich zu Ohm um und schlug ihm spielerisch auf die Brust. "Hey, du weißt genau, dass ich dir alles sagen würde."
Er zog mich in seine Arme, ich legte meinen Kopf auf seine Schulter.

"Aber?" Sein Atem kitzelte an meinem Ohr und ich kicherte, bevor ich wieder ernst wurde.

"Weißt du", seufzte ich. "Das ist alles so viel...Ich habe keine Ahnung, was ich als nächstes machen soll. Es passieren so schreckliche Sachen, aber ich will dich damit nicht auch noch belasten."

Nach meinen Worten folgte eine lange, erdrückende Stille, ich lauschte dem leisen Rascheln des Windes in den Blättern. Plötzlich verstärkte Antonio seinen griff um meine Taille und zog mich noch näher an sich.

"Ich liebe dich", flüsterte er mit rauer Stimme und ich erzitterte.

"Wirklich?"

Sein leises Lachen ertönte und ich schloss meine Augen.

"Ja, wirklich."

Über das Gelände wehten zu uns immer lauter werdende Rufe herüber, widerwillig löste ich mich aus seiner Umarmung. Wir sahen Beide zu den zwei Gestalten, die auf uns zu kamen, und Antonios Hand verkrampfte sich auf meiner Schulter.

Ein Mädchen mit den gleichen, hellen Haaren wie Jason hielt einen kleinen Jungen an der Hand, ich schätzte sie auf vierzehn, ihn vielleicht auf sieben.

"Wo ist er?", fragte sie sofort, als sie vor uns stehen blieb. "Wo ist Jay?"

"Er ist bei Sky, da drin." Antonio wies mit dem Kopf auf die Hütte.

"Wie geht es ihm?", wollte das Mädchen wissen.

"Das wissen wir nicht", fing ich an. "Als wir ihn gefunden-"

"Es ist deine Schuld!", schrie sie mich an. "Nur wegen dir ist er alleine in den Wald gegangen!"

Erschrocken zuckte ich vor ihrer Wut zurück, doch ich wiedersprach nicht, es gab nichts zu rechtfertigen.

"Moment mal, Isabelle, was hast du eben gesagt?", hakte Antonio nach. "Warum ist er in den Wald gegangen?"

Isabelle holte aus ihrer Jackentasche ein zerknicktes, schmutziges Blatt Papier hervor und hielt es uns vor die Nase. "Das hat er vor der Mauer gefunden, in der Nähe der roten Schrift. Jamie und ich sollten auf das hier aufpassen, während er euch suchen gehen wollte."

Jamie nickte und sah uns mit großen Augen an. "Wir Jay wieder gesund?", fragte er leise.

Ich beugte mich zu ihm runter und strich ihm durch sein blondes Haar. "Sky ist die beste Heilerin, die ich kenne. Sie wird Jason so schnell wie möglich wieder gesund machen, das verspreche ich dir."

Isabelle sah mich argwöhnisch von der Seite an, doch sie sagte nichts. Währenddessen faltete Antonio den Zettel auseinander, und las mit gerunzelter Stirn die unordentliche Schrift.

"Das ist ein Brief von Amelie", sagte er dann. "Sie muss hier gewesen sein, während wir noch unterwegs waren."

"Was schreibt sie?"

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt