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Thalia's POV

Erschöpft ergriff ich die schmale Hand, die sich mir entgegenstreckte, die plötzliche Stille jagte einen kalten Schauer meinen Rücken hinunter.
Kein Flüstern, kein schrilles Kreischen mehr, nicht mal der leichteste Wind durchzog die Luft.
Nur diese bleierne Müdigkeit erfasste meinen Körper, doch ich riss mich zusammen und ließ mich von der fremden Person auf die Beine ziehen.

"Wer bist- woah." Mein Mund klappte beim Anblick der Frau auf, für einen Moment vergaß ich, dass mich gerade eben noch eine Horde Schatten verfolgt hatte.
Vor mir stand das wahrscheinlich wunderschönste Geschöpf dieser Erde, das Mädchen mit den Gesichtszügen einer jungen Frau hätte aus einem Gemälde stammen können, das die Göttin Aphrodite darstellte.

Das glänzende, rabenschwarze Haar umspielte wie durch eine unsichtbare Brise bewegt ihre Hüfte, während ihre schlanke Figur an den richtigen Stellen Kurven aufwies. Auf der sonnengebräunten Haut ihrer Arme waren silberne, verschlungene Tattoos eingebrannt, bis hoch zu ihren Schlüsselbeinen.
Ich starrte jedes der Male an, sie waren wie Narben, verliehen ihr nee gleichzeitig an überirdischer Schönheit. Bei näherer Betrachtung hatte sie große Ähnlichkeit mit einer orientalischen Prinzessin, das silberne Stirnband brachte ihre mondsteinfarbenen Augen förmlich zum strahlen.

"'Tschuldigung", murmelte ich betreten und senkte den Kopf, als ich ihren belustigten Blick bemerkte. Das war ja mega peinlich...

"Wir sollten weiter", sagte sie mit sanfter Stimme, ohne auf mein Starren weiter einzugehen und winkte mich zu sich. "Diese Umgebung ist nicht mehr sicher, und es gibt noch eine Person die mit dir reden möchte, bevor du gehst."

"Bevor ich... gehe?" Ich stockte, es überlief mich heiß und kalt. "Was soll das bedeuten?"

"Dass deine Aufgabe noch nicht erfüllt ist." Sie lachte leise, ihre Stimme klang wie die leise Melodie eines Windspiels. Ohne weiter zu warten drehte sie sich um und verschwand zwischen den Bäumen, ich dachte nicht weiter nach und beeilte mich ihr zu folgen. Doch selbst in der Dunkelheit schienen die silbernen Male auf ihren Armen zu schimmern, genauso wie ihr weißes, mit spitze verziertes Oberteil, das gerade mal bis über ihren Bauchnabel reichte.

Mit der schlichten, enganliegende schwarzen Hose und den bloßen Füßen machte sie den Eindruck eines verirrten Mädchens, doch selbst aus der Entfernung spürte ich die Ausstrahlung, die ihr die Züge einer erfahrenen Frau verlieh.

"Warte!" Hastig wich ich einem tief hängenden Ast aus und holte auf. "Wer bist du? Wo bin ich? Und was mache ich hier?"
Die schwarzhaarige drehte sich nicht zu mir um, aber das kichern drang deutlich in meine Ohren. Aus den Augenwinkeln checkte ich, ob in der Nähe wieder bösartige Schatten lauerten, aber nichts bewegte sich.

"Ich bin deine Freundin", meinte sie übermütig und zwinkerte mir über die Schulter hinweg zu, "und die einzige Person in dieser Ebene, die dir helfen kann. Du wirst es bald verstehen können, Thalia."

"Woher kennst du meinen Namen?", hakte ich argwöhnisch nach und merkte, wie wir verlangsamten. "Und warum sollte ich dir vertrauen?"
Ich blieb stehen, die Bäume lichteten sich zu einer freien Fläche, es gab nichts mehr das mir Schutz geben konnte, unter dem freien Himmel fühlte ich mich auf einmal angreifbar, bloßgestellt.

"Ich habe deinem Leben schon seit deiner Geburt zugesehen", stellte das Mädchen klar und legte mit einem glücklichen Ausdruck auf ihrem elfenhaften Gesicht in den Nacken, mit ausgebreiteten Armen drehte sie sich mehrmals um die eigene Achse. Sie wirkte dem Anschein nach wie ein ausgelassenes Kind, auch wenn ich tief in mir drin wusste, dass etwas nicht stimmte. "Ich kenne alle deine Schwächen, alle deine Stärken, und dass du heimlich Fifty Shades of Grey liest, damit deine Mum es nicht mitbekommt", fuhr sie ohne meinen verstörten Gesichtsausdruck zu beachte fort. "Aber ich muss zugeben, dass das Buch wirklich gut ist."

Im Schatten des Mondes (I)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt