22. Kapitel: Herbstbeginn

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Seit Tom aus Versehen im Wahrsageunterricht in Avas Geist eingedrungen war, hatte sich die Beziehung zwischen den beiden stark verändert.

Tom hatte - untypisch für ihn - seine schulischen Leistungen riskiert und den restlichen Unterricht an jenem Tag geschwänzt, um das ganze Schloss nach der Hexe abzusuchen. Als er sie schließlich in der Bibliothek gefunden hatte, hatte Ava viel geweint und sich ihm anvertraut. Sie hatte ihm von dem Tod ihres Vaters erzählt und erklärt, dass sie hier in Hogwarts versuchte diesen Verlust zu verdrängen. Niemand ihrer Freunde wusste davon. Meistens tat Ava so als wären ihre Eltern einfach nur getrennt. Sie erklärte Tom, dass sie hoffte, später ihrem Vater durch die geplanten Reisen näher zu kommen, indem sie die Orte kennenlernen, an denen er gelebt und gearbeitet hatte. Es war das erste mal, dass das Mädchen sich selbst den Verlust eingestand, was viele weitere Tränen bedeutete.

Sehr untypisch für ihn, hatte Tom aus einem Gefühl heraus entschieden sich in diesem Moment Ava auch zu öffnen. Er vertraute ihr an, dass er ohne seine Eltern im Waisenhaus in London aufgewachsen war. Tom ließ zwar viele Details aus, aber dennoch gestand er Ava seine ruhmlose Herkunft.

Der junge Zauberer entschied ab diesem Tag, dass Ava die einzige Person war, der er je so nah sein wollte. Sie war es wert. Dadurch, dass Ava erst durch Tom begann, den Tod des Vaters zu verarbeiten, suchte sie in den nächsten Wochen täglich die Nähe des verschwiegenen Jungen. Daraus folgte, dass die beiden viel Zeit miteinander verbrachten. Während Ava auf dem Quidditchfeld trainierte, saß Tom irgendwo in der nähe und arbeitete Hausaufgaben und Zusatzleistungen ab. Aus den Augenwinkeln beobachtete er währenddessen wie die Spieler durch die Luft jagten und war jedes Mal aufs Neue von den Flugkünsten der Sucherin beeindruckt. Ava verbrachte ihre freie Zeit bei ihm in der Bibliothek, half ihm bei den Aufsätzen oder forderte seine Hilfe für ihre Hausaufgaben ein. Auch bei den Vertrauensschülerpflichten, wie etwa der Fluraufsichten, passten sie ihre Schichten einander an.

Während die Blätter im verbotenen Wald sich rostrot färbten und die Tage kürzer wurden, zeigte sich deutlich, dass die beiden Jugendlichen einander guttaten. Oliver und Charles freuten sich, dass ihr Freund trotz dem tristen Wetter ungewöhnlich gut gelaunt war. Sie wussten zwar nicht, wodurch der Sinneswandel kam, aber waren dankbar für alle Veränderungen, die das mit sich brachte. Keine Verwünschungen, Streitereien oder Drohungen mehr.

Walburga allerdings verkündete regelmäßig ihren Missmut darüber, dass der Vertrauensschüler nur noch so selten anzutreffen war. Tom ignorierte ihre bissigen Bemerkungen. Erstaunlicher Weise erfuhr auch Ava etwas Gegenwind, was sie Tom manchmal genervt berichtete. Lucas Lockhart zeigte sich regelmäßig patzig und funkelte Ava böse im Gemeinschaftsraum an, traute sich aber nicht, etwas Negatives über Tom zu äußern. Und die rothaarige Mathilda, die eins und eins zusammenzählte, zeigte offenkundig, dass sie immer noch kein Fan von Tom war. Sie predigte ihrer Freundin regelmäßig, sie solle Vorsicht gegenüber dem Slytherin walten lassen. Ava tat es Tom gleich und ignorierte diese wenig hilfreichen Ratschläge.

***

Die friedliche Zweisamkeit von Tom und Ava nahm am dritten Samstag im Oktober mit dem Quidditchspiel zwischen Slytherin und Ravenclaw ein jähes Ende.  An diesem Morgen wurde Tom von einem fluchenden Oliver geweckt.  Der ganze Boden des Schlafsaals war mit Büchern, Kleidung und anderen Habseligkeiten des Treibers übersäht. Als Tom den Kopf zu Olivers Bett drehte, wurde ihm auch klar, woher dieses Chaos stammte. Der Quidditchspieler trainierte, indem er alles was in seiner Reichweite lag in die Luft warf und mit dem Schläger davonstieß, ähnlich wie man die Clutcher mit den Schlägern in die Ferne trieb. Tom vergrub den Kopf unter dem Kissen und versuchte zurück in den traumlosen Schlaf zu finden. Vergebens.

Tom Riddle auf der Suche nach dem Erben von Slytherin (5. Schuljahr)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt