Auf dem Boden des Jungenschlafsaals lagen drei Koffer. Einer der Koffer, gepflastert mit Stickern der Chudley Cannons und Tutshill Tornados, lag offen und leer neben einem Haufen Sportumhänge. Nicht weit davon entfernt ein glänzend grüner Koffer aus Drachenleder, in dem Hemden, Hosen und eine Quidditchuniform unachtsam hereingeworfen worden waren. Der dritte Koffer, alt, abgenutzt und mit einem rostenden Vorhängeschloss versehen, war bereits fertig gepackt, geschlossen und akkurat am Fußende des einen Himmelbettes platziert. Er gehörte dem dunkelhaarigen Jungen, der als einziger der drei Zimmerbewohner bereits wach und kerzengerade im Bett saß.
Tom hatte nicht schlafen können.
Ständig war er in der Nacht von einem merkwürdigen, unverständlichen Flüstern wach geworden, das aus den leeren Seiten seines Tagebuchs drang. Wahrscheinlich nicht mehr als ein alberner Albtraum, aber dennoch... Es war merkwürdig. Und da war auch wieder dieses unangenehme Ziehen in seinem Kopf. Oliver, der ein Bett weiter tief und fest schlief, grunzte.
Tom riss sich von dem Buch los, schlug die leeren Seiten zu und schlich mit nackten Füßen ins Bad, wo er sein Gesicht unter kaltes Wasser hielt. Der Kopfschmerz wurde schwächer. Erleichtert hob er den dunklen Haarschopf und begutachtete sein blasses Gesicht und die bläulichen Schatten unter seinen Augen. Wahrscheinlich nur eine Lichtreflexion der Kerze, aber seine Augen leuchteten rötlich auf.
Müde rieb er den Schlafsand weg. Das rote Funkeln war verschwunden. Leise, um Charles und Oliver nicht zu wecken, machte Tom sich fertig, zog die Schuluniform ein letztes mal für dieses Schuljahr an und griff nach kurzem Zögern nach dem Tagebuch und seinem Zauberstab. Dann verließ er den Schlafsaal und tapste in den Keller, wo die große Schulküche verborgen lag. Tom wollte eigentlich nur ein paar Reste des gestrigen Festessens abgreifen, doch als die Hauselfen den Jungen an der Schwelle zur Küche erblickten quiekten sie eifrig und kamen mit Händen voller Toasts, hart gekochten Eiern und Schinken auf ihn zugelaufen: "Der Herr sieht hungrig aus! Nehmen Sie!" "Darf Twinkl ihnen einen Tee anbieten, junger Herr?" "Eine Kürbispastete?"
Die Elfen staunten nicht schlecht, als der sechzehnjährige Junge tatsächlich all das Essen in die Taschen des Umhangs stopfte. Sie mussten glauben, dass er Angst hatte in den Ferien zu verhungern - was im Muggelwaisenhaus sicherlich auch gar nicht so unwahrscheinlich war.
Dann verließ Tom die Küche wieder und beeilte sich zur Mädchentoilette in den erste Stock zu kommen.
Seit dem Mord an Myrte gingen die meisten Schüler und Lehrer sowieso einen großen Bogen um das Mädchenklo im ersten Stock. Der Waschraum war noch immer als Tatort abgesperrt, obwohl bereits alle Beweise gesichtet und vernichtet worden waren. Das lag vor allem an den merkwürdigen Geräuschen, die man seit wenigen Tagen immer mal wieder aus dem Mädchenklo hören konnte. Dippet hatte bereits die Leitungen untersuchen lassen. Aber das jaulende Jammer kam nicht von einem kaputten Rohr. Es schien einen anderen, noch ungeklärten Ursprung zu haben. Auch jetzt, als Tom den Waschraum betrat, hörte er ein unangenehmes Schniefen aus einer der Kabinen. Er wollte nicht länger als nötig hier verweilen. Schnell schritt er auf den Wasserhahn zu, der bei den zischenden Lauten des Jungen den Kopf neigte und den Erben gewähren ließ. Ein letztes mal ließ sich Tom hinab in die dunkle Kammer fallen.
Unten angekommen leerte der Schüler seine Taschen hastig. Die riesigen Mengen an Brot, Eiern und Schinken wirkten plötzlich recht spärlich, hier auf dem dunklen Stein. Und als sich der riesige Basilisk aus dem Schatten erhob und mit geschlossenen Augen auf den Jungen zukroch, tat es Tom leid, dass er nicht noch mehr Essen mitgebracht hatte.
Es tut mir leid, du bist sicher sehr hungrig, entschuldigte sich Tom auf Parsel und streichelte über die majestätischen Schuppen des Tieres. Ich muss die Kammer schließen. Zumindest für eine Weile. Zu deiner Sicherheit. Bis etwas Gras über die Sache gewachsen ist.

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Tom Riddle auf der Suche nach dem Erben von Slytherin (5. Schuljahr)
FantasyTom Riddles Schulzeit (5. Schuljahr, Kanon) II Auf der Suche nach seiner Herkunft ahnt er noch nicht, dass eine todbringende Riesenschlange in der Schule als sein Erbe auf ihn wartet. Doch Ava Starling, eine Ravenclawschülerin, weckt fast so etwas w...