32. Kapitel: Der erste Frost

123 25 91
                                    


Den restlichen Tag war Tom nervös und schlecht gelaunt. Das Aufeinandertreffen mit Lockhart hatte ihn zudem an einen Umschlag erinnert, der seit Halloween in seinem Schrank schlummerte. Er ärgerte sich, dass er sich immer wieder von der blonden Hexe ablenken ließ und die eigentlichen Pläne vernachlässigte. Insgeheim wusste er, dass es daran lag, dass er Angst vor einer weiteren Enttäuschung hatte und deshalb diesen Umschlag verdrängt hatte, aber es war viel leichter sauer auf das Mädchen zu sein, dass ihn all das vergessen ließ. 

Während er sich vor Ava die aufkommende Unruhe nicht anmerken ließ, konnte der Fünfzehnjährige es kaum erwarten ungestört die Akte zu durchblättern. In Verteidigung gegen die dunklen Künste kritzelte er gedankenverloren in seinem Notizbuch herum, während Professor Dumbledore eine Diskussion über die Unverzeihlichen Flüche moderierte. Am Ende der Stunde bemerkte Tom nicht einmal, dass alle um ihn herum bereits aufgestanden waren. Erst als Ava ihn vorsichtig an der Schulter berührte, blickte er auf. 

Sie kommentierte oder fragte nicht, sondern half ihm dabei, das Tintenfass zuzudrehen und gemeinsam mit der Feder und dem Schulbuch in die Tasche wandern zu lassen. Professor Dumbledore blinzelte den beiden durch seine Halbmondbrille zu, als die Schüler als letzte den Raum verließen.

Schnellen Schrittes eilten sie durch die Flure des Schlosses Richtung Ländereien zur letzten Stunde des heutigen Tages. Draußen war es grau und winzige Regentropfen benetzten die schottische Landschaft. Es war so kalt, dass die Nässe beinahe in der Luft erstarrte und sich kleine Eiskristalle auf dem Boden niederlegte. Viel zu kalt für November, dachte Tom. An der Hütte des Wildhüters Ogg versammelte sich die fröstelnde Klasse um einen Käfig mit Krötern. Tom und Ava waren gerade noch rechtzeitig. Da er bei dem Wetter sein Notizbuch nicht herausholen wollte, starrte der Schüler stattdessen unkonzentriert in die Richtung des verbotenen Waldes. 

Er wollte nur weg. 

Nach der Stunde Pflege Magischer Geschöpfe, die an dem tristen Nachmittag im verregneten und zugleich frostigem November gnadenlos langsam um ging, folgte Tom der restlichen Klasse vom Rand des verbotenen Waldes zurück ins warme Schloss. Auch wenn sein Umhang durch einen Zauber vom Regen geschützt war, hatte sich die nasse Kälte bis auf seine Knochen hindurch gefressen. An den eingefassten Fenstern zeichneten sich bereits kleine Eisblumen ab. Ava und Mathilda gingen ineinander gehakt vor Tom her, während er düster über die Ländereien schaute und sich eine Ausrede überlegte, um sich zu verziehen. 

Allerdings kam Mathilda ihm zuvor. Als sie den Eingang des Schlosses fast erreicht hatten, legte das rothaarige Mädchen den Arm um ihre Freundin, die leise geniest hatte: "A, was hältst du davon, wenn wir uns gleich im Vertrauensschülerbad richtig aufwärmen", schlug sie vor. Ava zuckte unschlüssig mit dem Kopf und drehte sich fragend zu Tom um. Das Bad konnte nur von Vertrauensschülern, Schulsprechern und Hogwarts Quidditch-Kapitänen genutzt werden. Es befand sich im fünften Stock, hinter der vierten Tür, links neben der Statue von Boris dem Bekloppten. Wenn man das richtige Passwort nannte, ließ einen Boris in den luxeriösen Raum eintreten und ein großes steinernes Becken, welches sich mit magischem Badeschaum, bunten Blubberblasen und brodelnden Kristallen füllen ließ, wartete. Das Bad der Vertrauensschüler war ein Privileg, dass Tom als recht unpraktisch empfand. Ihm reichte es aus, die Dusche direkt im Schlafsaal zu nutzen. Keine Umwege, keine Zeitverschwendung.

Da Mädchen und Jungen nicht gemeinsam Baden durften, war es Tom aber nur recht, wenn die beiden Hexen sich dort aufwärmten. Dann brauchte er gar keine Ausrede mehr und hatte Zeit sich mit dem Umschlag in seiner Kommode genauer zu befassen. 

Die drei Schüler hatten bereits die große Treppe im Eingang des Schlosses erreicht, als Ava erneut den Blickkontakt zu dem grübelnden Zauberer suchte. Sie fand seinen kalten Blick und hielt ihn fest: "Mathilda, wartest du kurz?" Die Rothaarige nickte, ging die Stufen hoch. Sie wartete am oberen Ende der Treppe, um den beiden auf bitten der Freundin etwas Privatsphäre zu lassen.

Tom Riddle auf der Suche nach dem Erben von Slytherin (5. Schuljahr)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt