18. Also gut

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Harry's Blick spiegelte zunächst Unentschlossenheit wider.

Was sollte er bloß antworten?

Er hatte keine Ahnung, ob er das schaffen würde.

Und im Fall einer erneuten Panikattacke wäre er ganz auf sich selbst gestellt.

In einem engen, mit Wasser gefüllten Schacht.

Er drehte seinen Kopf in Louis' Richtung, der ihn mit einem festen Blick ermutigte.

In ihm breitete sich die stille Hoffnung aus, dass Harry ablehnen würde.

Auch, wenn er es nach außen hin nicht zeigte, war er sich keineswegs sicher, ob dieser das ohne Zwischenfälle schaffen konnte.

Es war im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich, ihn allein durch einen Lüftungsschacht tauchen zu lassen, der bis oben hin mit Wasser gefüllt war.

Trotz allem war ihm klar, dass er nicht einfach „Nein" sagen konnte.

Der Kapitän höchstpersönlich hatte sich an ihn gewandt, und der Brand breitete sich schnell aus.

Es blieb ohnehin nicht viel Zeit, nachzudenken.

Harry atmete tief durch. „Also gut", sagte er, „Sagen Sie mir, um welchen Schacht es sich handelt."

Louis spürte, wie ihm beinahe das Herz in die Hose rutschte.

Ein Blick auf Harry genügte, um zu wissen, dass es ihm ganz genauso ging.

Die beiden Männer machten sich schnellen Schrittes auf den Weg zu dem überschwemmten Schacht.

Harry spürte, wie sein Herzschlag sich mit jedem Schritt beschleunigte.
Er hatte Angst, und doch war er dankbar, dass diese in dieser von Unruhe und Nervosität geprägten Umgebung keine Chance hatte, sich zu sehr auszubreiten, bevor er an die Arbeit ging.

Als er allerdings mit den Beinen im Wasser stand, konnte er spüren, wie sein Fluchtinstinkt wieder einsetzte.

Dutzende Männer standen um ihn herum, und er zitterte am ganzen Körper.

Das Wasser war eiskalt.

Der Lüftungsschacht mehrere Meter lang.

Es würde mit Sicherheit eine Minute dauern, durch ihn hindurch zu tauchen – wenn nicht sogar länger.

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass er ihn unter Wasser erst einmal ausfindig machen musste.

Ein letzter Blick zu Louis, der ihm kräftig zunickte.

Harry stieg mit zitternden Händen und klopfendem Herzen in das kalte Wasser.

Er zuckte zusammen, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige gegeben.

Es war dunkel und undurchsichtig.

Er versuchte, sich an die gemeinsamen Schwimmübungen mit Louis zu erinnern, und tatsächlich fühlte er sich ein Stück sicherer.

Allerdings nicht so sicher, dass er mit einem Satz in das Wasser hätte springen können.

Seine Füße schienen auf dem Boden festgeklebt zu sein und sein ganzer Körper signalisierte ihm, bloß nicht – unter keinen Umständen – in das Wasser zu springen.

Wieder blitzten Erinnerungen vor seinem inneren Auge auf.

„Worauf wartest du, Harry?", schrie Jack einige Meter hinter ihm.

Harry schloss die Augen.

Ein aufgeregtes Kribbeln füllte seine Bauchgegend.

Er wusste nicht, woher er plötzlich den Mut nahm, tatsächlich ins Wasser zu springen, aber er bereute es noch in der gleichen Sekunde.

Er schnappte nach Luft, panisch, und im nächsten Moment zog ihn die leichte Strömung in Kombination mit dem Gewicht seiner Ausrüstung unter die Oberfläche.

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals.

Panik breitete sich in seinem gesamten Körper aus.

Von den Fingerspitzen bis zu den Zehen.

Er hatte schon jetzt das Gefühl, dass ihm der Sauerstoff ausging.

Ängstlich riss er die Augen auf und blickte sich um.

Harry konnte kaum etwas erkennen.

Es war mitten in der Nacht und es war dementsprechend dunkel.

In der ganzen Aufregung hatte er auch noch seinen Helm vergessen.

Also tastete er sich an der Wand entlang.

Innerhalb kürzester Zeit hatte er die Orientierung in der Dunkelheit verloren.

Wieder beschleunigte sich sein Herzschlag, und wieder spürte er, wie ein Blitz seinen gesamten Körper durchzuckte.

Dann bekam er ihn zu fassen.
Den Eingang zu dem verdammten Lüftungsschacht.

Er hatte ihn gefunden.

Mit schnellen, kräftigen Schwimmbewegungen bahnte er sich seinen Weg durch den Schacht.

Noch immer hielt das Gefühl an, keinen Sauerstoff zu bekommen.

Das machte ihm nicht nur Angst, das ließ auch seine Brust in unregelmäßigen Abständen zucken.

Noch konnte er den Reflex unterdrücken, automatisch nach Luft zu schnappen.

Plötzlich machte sich etwas in ihm breit, was sich wie Entschlossenheit anfühlte.

Mit jedem Schwimmzug wurde das Gefühl stärker, und es schien seine Angst ein wenig abzumildern.

Das Wasser wurde tiefer und dunkler, doch Harry setzte seine Bewegungen fort, angetrieben von der Notwendigkeit, das Feuer zu bekämpfen – und endlich wieder an Luft zu kommen.

Und gerade als er dachte, dass es nicht mehr ging, erreichte er das Ende des Lüftungsschachts.

Er stemmte sich mit letzter Kraft hinaus, schnappte nach Luft und spürte ein Gefühl der Erleichterung in seinem Inneren.

Zumindest so lange, bis er schwer husten musste, weil die Rauchentwicklung in diesem Bereich so dicht war.

Das Wasser wirbelte um ihn herum, während er sich durch den engen Raum kämpfte. Seine Atmung wurde schneller und flacher.

Mit zittrigen Händen und klammen Fingern erreichte er schließlich die Brandstelle.

Das Knistern der Flammen und der beißende Geruch nach Rauch füllten den Raum.

Harry hustete, und er versuchte seine Atemwege zu schützen, indem er sich den Arm fest vor Mund und Nase presste.

Gequält von dem scharfen Rauch in den Augen, begannen sie zu tränen. Harry kniff sie zusammen, soweit es ging.

Dann begann er, den Brand zu bekämpfen.

Das Wasser umspülte ihn noch immer und stellte einen starken Kontrast zu der Hitze des Feuers dar.

Doch seine Bewegungen waren zielgerichtet und entschlossen.

Auch wenn die Minuten wie Stunden vergingen, schaffte er es nach einem schier endlosen Kampf, das Feuer zu löschen.

Er atmete schwer und erschöpft, als er sich gegen den Schacht lehnte.

Obwohl das Wasser ihn noch immer umgab, war er erleichtert.

Er hatte es geschafft.

Jetzt musste er nur noch irgendwie zurückkommen.

Also machte er sich daran, sich mit den letzten Kraftreserven zurück ans Deck zu kämpfen.
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Meine Lieben,

Ich hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende!🤍

All the love,
Helena xx

Pearl HarborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt