46. Ich habe immer nur das Beste für dich gewollt

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Am Tag nach dem heimtückischen Angriff auf Pearl Harbor hielt Präsident Theodore Rossevelt eine Rede, die in die Geschichte eingehen würde.

Er bezeichnete den siebten Dezember 1941 als Tag der Schande, und erklärte, dass die Vereinigten Staaten von Amerika plötzlich und ohne vorhandene Kriegserklärung von dem Kaiserreich Japan angegriffen wurden.

Am Ende erklärte er dem Kaiserreich Japan den Krieg.

Die Bevölkerung stimmte jubelnd zu, denn sie wollten Vergeltung.

Vergeltung für das, was mit ihren Söhnen, Ehemännern, Freunden und Bekannten passiert war.

Jetzt waren die schlimmsten Befürchtungen also wirklich Realität geworden.

Die Vereinigten Staaten von Amerika befanden sich im Krieg und traten damit in den zweiten Weltkrieg ein.


Erst am nächsten Morgen konnte Liam Harry ausfindig machen.

Die beiden Männer fielen sich in die Arme, und plötzlich flossen die Tränen.

Die Art von Tränen, die einen vor Leid kaum noch atmen ließ.

Trotzdem siegte schließlich die Freude und Erleichterung über das Wiedersehen.

Liam war zwar kaum zu erkennen, mit all den Verbrennungen an jeglichen Körperregionen.

Und trotz der absolut unvergleichlichen Situation konnte Harry etwas wie Erleichterung empfinden.

„Ich dachte, ich sehe euch nie wieder", schluchzte Harry und konnte Liam kaum loslassen. „Wo ist Niall?"

Ein tiefes Seufzen drängte sich aus Liam's Brust. „Er lebt", antwortete er und konnte Harry's Blick kaum deuten. „Aber es geht ihm sehr schlecht. Der Schuss hat ihn in die Leber getroffen."

„Scheiße", murmelte Harry mit zitternder Stimme und presste die Augen zusammen, als er sich mit beiden Händen über die tränennassen Wangen fuhr.

„Ich muss ihn sehen", sagte er schließlich. „Sofort."

Liam nickte und versuchte, seine Fassung zu wahren. „Keine Sorge, ich werde dich zu ihm bringen", versicherte er seinem Freund. „Aber ich muss dich warnen ... Er ist kaum zu erkennen. Das ist ein ... tragischer Anblick, genau so wie alles, was sich in den letzten Tagen ereignet hat. Um ehrlich zu sein, sieht es nicht gut aus. Behalte das im Hinterkopf, wenn du zu ihm gehst."

Harry wusste nicht, was er Liam antworten sollte.

Alles fühlte sich an, als wäre es ganz weit weg.

Als wäre er gar nicht er selbst.

Alles, was er gekannt hatte, war innerhalb weniger Stunden ausgelöscht worden.

Die USS Arizona brannte noch immer.

Während er den Gang entlang ging, hörte er vor Schmerzen stöhnende Soldaten, die trotz des Morphiums ihre Qualen kaum ertragen konnte.

Auch Niall war unter diesen Männern.

Als Liam ihn zu Niall's Bett brachte, erkannte er dessen ernsten Zustand sofort.

Er hatte starke Schmerzen und seine Stirn war mit kaltem Schweiß bedeckt.

Stellenweise allerdings war seine Haut so sehr zerstört, dass er die Schmerzen in den einzelnen Körperteilen gar nicht mehr wahrnehmen konnte.

Harry war entsetzt von dem Anblick seines besten Freundes.

Die Haut war braunartig verfärbt und machte einen beinahe ledernen Eindruck.

Die Verbrennungen waren schwer.

Zu schwer.

Harry wusste, dass Niall für den Rest seines Lebens verstümmelt sein würde - falls es diesen Rest überhaupt noch gab.

„Harry...", murmelte Niall und die verbrannten Lippen formten ein schwaches Lächeln. „Ich muss dir etwas sagen."

Harry spürte, wie die Tränen ihm in die Augen schossen.

Niall versuchte, sich zu verabschieden.

Vorsichtig und ängstlich ließ Harry sich am Bett seines besten Freundes hin, der ihn bereits sein ganzes Leben lang begleitet hatte.

Er wollte nach seiner Hand greifen, beinahe automatisch, erinnerte sich dann aber daran, dass diese unter Verbänden begraben und von Schmerzen geplagt waren.

„Was?", fragte Harry mit zitternder Stimme nach. „Was musst du mir sagen?"

Er konnte sehen, dass sich in Niall's Augen Tränen sammelten, als er anfing, zu sprechen.

„Es tut mir alles so leid", krächzte er, und seine Stimme klang ganz anders.

Sie klang überhaupt nicht mehr so, wie sonst. „Ich habe immer nur das Beste für dich gewollt."

„Das ist doch völlig egal", wimmerte Harry, dem langsam die Stimme brach. „Das spielt keine Rolle mehr. Ich weiß, dass du alles getan hättest, um mir zu helfen."

Niall schluchzte, und mit jedem Atemzug fiel ihm das Luft holen schwerer. „Ich würde alles dafür geben, die Zeit zurückdrehen zu können", gestand er, während die Tränen über seine verbrannten Wangen flossen. „Wir hätten ehrlich zu dir sein sollen."

Harry schüttelte augenblicklich den Kopf. „Du hast nur getan, was du für richtig gehalten hast", schniefte er. „Du wolltest nur auf mich aufpassen."

Nun griff er doch nach Niall's anderer Hand, die nicht verbunden war. Sie war zumindest etwas vor den Flammen verschont geblieben.

Doch er erschrak.

Seine Hand war eiskalt.

Niall schien erleichtert, und gleichzeitig schien er mit jeder Minute schwächer zu werden. „In meiner Brusttasche ist ein Brief", antwortete er, die Stimme von der hohen Morphiumdosis etwas verwaschen. „Ich habe ihn heute Morgen Liam diktiert. Ich möchte, dass du ihn Mary gibst, sobald du wieder zu Hause bist."

Harry schüttelte entschlossen den Kopf und wischte sich über die Wangen.

Er schluchzte, denn für Worte fehlte ihm die Kraft.

Er konnte einfach nicht fassen, dass er gerade im Begriff war, seinen besten Freund zu verlieren.

Wegen einem hinterhältigem Angriff, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hätte.

Harry nahm für seine nächsten Worte all seinen Mut zusammen.

„Du kannst loslassen", wisperte er, und seine Stimme bebte. „Es ist okay."

Liam konnte die Szenerie kaum mit ansehen.

Aber das war die neue Realität, in der sie fortan leben würden.

Sie befanden sich jetzt im Krieg.

Der Tod würde zu ihrem täglichen Begleiter werden.

Und einige Minuten später nahm Niall seine letzten Atemzüge.

Harry's Hand noch immer in der seinen, drückte er noch einmal zu.

Für Worte fehlten auch ihm die Kraft.

Als Harry auf den leblosen Körper seines Freundes starrte, konnte er kaum fassen, dass er nicht mehr atmete.

„Niall", schluchzte er, das Gesicht blind vor Tränen. „Bitte sag doch was."

Vorsichtig legte Liam ihm eine Hand auf die Schulter. „Er ist tot, Harry."

Harry legte den Kopf in die Hände und begann, hemmungslos zu weinen.

„Er konnte nicht in Frieden gehen, ohne diese Sache geklärt zu haben", erzählte Liam. „Er konnte nicht loslassen, bis er sich bei dir entschuldigt hat."
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Meine Lieben,
einen wunderschönen Donnerstagabend wünsche ich euch.♥️
Ich weiß, ich weiß...
Es ist zu traurig.🥺

All the love,
Helena xx

Pearl HarborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt