37. Zeigt sie mir

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Niall konnte die Verletzung in Harry's Gesicht sehen.

Aber was noch viel schlimmer war: Er konnte die Enttäuschung sehen, die in diesem Moment jede einzelne Faser seines Körpers zu füllen schien.

„Harry...", startete er einen Versuch, die Situation aufzuklären, brach aber ab, weil er nicht wusste, was er ihm hätte sagen sollen.

Er hatte jedes Recht dieser Welt, wütend und enttäuscht zu sein.

Harry sah zwischen den beiden Menschen, denen er am meisten vertraute, hin und her. „Was ist es, das ich nicht wissen darf?"

Niall räusperte sich und senkte die Stimme. „Vielleicht sollten wir das Gespräch nicht an Bord dieses Schiffes führen", schlug er vor. „Uns könnte jederzeit jemand hören."

„Das hat euch gerade eben doch auch nicht gestört", kam es prompt von Harry, der die Wut in seiner Stimme nun nicht mehr unterdrücken konnte. „Ich möchte, dass ihr mir sofort eine Antwort gebt. Nicht erst in zwei Stunden."

Louis stieß ein tiefes Seufzen aus und ging auf die Tür zu, die er hinter Harry schloss und sich dagegen lehnte, sodass niemand einfach den Raum betreten konnte, während sie bis ins kleinste Detail darlegten, wie sie sich in den vergangenen Wochen strafbar gemacht hatten.

Niall versuchte, nach außen hin weiter ruhig zu wirken, doch das war gar nicht so einfach. Es war definitiv nicht der Plan gewesen, Harry auf diese Art und Weise von den Dokumenten zu erzählen, die alles verändert hatten.

„Wir haben Hinweise dafür gefunden, dass Sergeant Johnson am Tag deines Unfalls zumindest fahrlässig gehandelt hat", erklärte Niall. „Wahrscheinlicher ist, dass er es bereitwillig in Kauf genommen hat."

Harry verdrehte entnervt die Augen. „Was soll das denn jetzt wieder heißen?"

„Johnson wusste, dass die Bedingungen an diesem Tag ein Ausführen einer solchen Übung eigentlich nicht zuließen", erklärte Louis ziemlich direkt. „Er hat sich, aus welchem Grund auch immer, trotzdem dazu entschieden."

Harry spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte.

Er hörte die Worte, die Louis ihm entgegenschleuderte, aber er konnte sie nicht verarbeiten.

Nichts schien zu ihm durchzudringen, weil da plötzlich nur noch Bilder dieses Nachmittages waren.

„Er hat die Rettungsarbeiten bewusst verzögert und im Anschluss deine gesundheitlichen Folgen vertuscht, um nicht entlassen zu werden", fuhr Louis fort und Niall hätte ihm am liebsten den Mund zugehalten.

Er konnte erkennen, wie Harry's Augen sich mit Tränen füllten.

Er kämpfte an gegen das, was er hörte.

„Woher wollt ihr das wissen?", hakte er zitternd nach. „Niemand kann wissen, welche medizinischen Hintergründe die ganze Geschichte hatte."

Niall seufzte und zog vorsichtig die Schultern an. „Louis hat die Unterlagen gefunden, die das leider beweisen."

Harry spürte, wie sich der Knoten in seinem Kopf langsam löste. „Deshalb wart ihr so abweisend", schlussfolgerte er.

Louis schüttelte augenblicklich den Kopf. „Nein, natürlich nicht", antwortete er. „Wir wollten dich nur beschützen."

Ein verächtliches Schnauben drängte sich aus Harry's Kehle. „Beschützen?", wiederholte er ungläubig, „Ihr habt mich die ganze Zeit lang angelogen."

Niall presste die Lippen aufeinander. „Das stimmt so nicht..."

„Wo sind die Akten?", unterbrach Harry seinen besten Freund. „Ich will sie sehen."

Pearl HarborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt