16. Das darf dir beim Militär nicht passieren.

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Am Abend klopfte er schließlich mit zitternden Beinen an der Tür seines Vorgesetzten.

In den letzten Stunden hatte er kaum ein Wort über die Lippen gebracht, so nervös war er gewesen.

Natürlich wusste er, worum es in dem Gespräch gehen wurde und weshalb Johnson ihn sprechen wollte.

Niall hatte mehrmals versucht, ihn abzulenken, allerdings ohne Erfolg.

Obwohl er ihm gut zugeredet hatte, war Harry untröstlich gewesen.

Wie hatte das alles nur passieren können?

Wie konnte es sein, dass er, wie Louis ihm erzählt hatte, lediglich mit dem Fuß zwischen zwei Sprossen eingeklemmt gewesen war?

Er hätte sich einfach befreien können, wäre da nicht diese von Panik ausgelöste Blindheit für jeden rationalen Gedanken gewesen.

Sergeant Johnson öffnete die Tür und bat den jungen Soldaten hinein, ließ sich ihm gegenüber auf einem Stuhl nieder, und bemerkte, dass jegliche Farbe aus Harry's Gesicht gewichen war.

Er zog die Augenbrauen zusammen und sah ihm besorgt ins Gesicht. „Geht es dir nicht gut, Harry?"

Harry schluckte und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. „Doch, natürlich", antwortete er, „Ich habe heute einfach keinen guten Tag."

Ein tiefes Seufzen drängte sich aus Johnson's Brust. „Gefällt es dir denn bei der Marine nicht mehr?"

Harry's Blick schnellte nach oben, und er fuhr sich nervös durch das schulterlange Haar. „Was?", entfuhr es ihm, „Natürlich, ich könnte mir niemals vorstellen, die Marine zu verlassen..."

Misstrauisch lehnte Johnson sich in seinem Stuhl zurück.

Er sah Harry direkt an, und erinnerte sich an einen Soldaten, bei dem er einen ähnlichen Fall beobachtet hatte.

„Kann es sein, dass dein Unfall dich mehr mitnimmt, als du zugibst?"

Harry wurde nervös.

Augenblicklich schüttelte er den Kopf, doch seine Stimme zitterte. „So ein kleiner Zwischenfall wird mich schon nicht aus der Bahn werfen."

Ein resigniertes Seufzen vonseiten seines Vorgesetzten. „Du weißt, dass du jederzeit Hilfe und Unterstützung bekommen kannst, wenn du sie brauchst."

Harry spürte, wie sein Herzschlag sich noch einmal beschleunigte.

Hilfe und Unterstützung?

„Ich brauche keine Hilfe", gab er angespannt zurück und wich seinem Blick aus. „Ich habe das Ganze überlebt, und damit hat sich die Sache für mich erledigt."

Johnson verschränkte die Arme vor der Brust, während er sich weiter in seinen Stuhl zurücklehnte und Harry eine Zeit lang beobachtete.

Dieser wich seinem Blick aus und fixierte schließlich den Regen draußen an der Scheibe.

Die Wellen versetzten das Schiff in deutlich spürbare Bewegungen.

„Wie kann es dann sein", fuhr Johnson fort, „Dass ein dermaßen großer Kontrast zu deinen Leistungen vor dem Unfall und denen danach besteht?"

„Ich...", stammelte Harry, „Ich weiß es nicht, ehrlich nicht. Aber das ist nichts, was sich nicht wieder regeln lässt."

Sergeant Johnson nickte. „Das will ich hoffen", antwortete er. „Denn im Moment sind deine Leistungen offen gestanden sehr ... dürftig."

Harry senkte seinen Blick, um zu verstecken, wie sehr ihn die Worte seines Vorgesetzten getroffen hatten. „Ich hatte einfach nur eine schlechte Phase."

„Eine schlechte Phase?"

„Ja", antwortete Harry und suchte fieberhaft nach einer passenden Antwort. „Möglicherweise war ich in den letzten Wochen einfach nicht ganz bei der Sache."

„Das darf dir beim Militär aber nicht passieren", entgegnete Sergeant Johnson ernst. „Das kann weitreichende Folgen haben, Harry."

Der junge Soldat wich dem Blick seines Vorgesetzten aus. „Das weiß ich."

Ein tiefes Seufzen drängte sich aus der Brust seines Gegenübers. „Und aus diesem Grund", fuhr er fort, „will ich, dass du weißt, dass du Hilfe bekommen kannst, wenn du bereit bist, sie anzunehmen. Entscheidest du dich dagegen, musst du anderweitig zusehen, dass du das wieder hinbekommst, wenn du bei der Marine bleiben willst."

Harry spürte, wie sich dieser Satz durch seine Brust bohrte wie ein scharfer Dolch.

Er hatte immer nur ein Ziel gehabt.

Er hatte immer zur Navy gehen und sich dort nach oben arbeiten wollen.

Die ganze Zeit über hatte es ausgesehen, als würde dieses Ziel immer näher rücken.

Und jetzt, plötzlich, schien es in unerreichbare Ferne geschlittert zu sein.

„Weißt du, Harry", fuhr Sergeant Johnson fort, als er den betroffenen Blick seines Schützlings sah. „Ich hatte immer eine sehr gute Meinung von dir, und die habe ich eigentlich noch immer. Aber du musst mir zeigen, dass du bereit bist, an deinen Problemen zu arbeiten."

Harry nickte, und als er sich aus seinem Stuhl erhob, wurde ihm leicht schwindelig.

Er fühlte sich, als hätte man ihm eine kräftige Ohrfeige gegeben.

Sein Kopf schmerzte, und er hatte das Gefühl, seine Beine könnten jeden Moment nachgeben.

Er verließ das Gespräch niedergeschmettert.

Mit der immer präsenten Frage im Hintergrund, was er jetzt Bitteschön tun sollte.
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Meine Lieben,
einen schönen Start ins Wochenende wünsche ich euch.🤍
Habt ihr denn eine Idee, wie es weitergehen wird?🤍
Auf Instagram gibt es heute noch einen Post, der Harry's Symptomatik thematisiert.
Würde mich freuen, euch dort zu sehen.:)
Für die, die noch nie da waren, ihr findet mich dort unter

@helenaviktorialarsson 🤍

All the love,
Helena 🤍

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