26. Aber das ist gelogen

124 31 7
                                    

Einige Tage später spazierte Harry zusammen mit Liam über das Deck, um die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu genießen.

Niall und Louis waren in den letzten beiden Stunden unauffindbar gewesen.

Plötzlich hielt Liam inne und sah Harry mit einem ernsten Blick im Gesicht an. „Kann ich dich etwas fragen?"

Harry spürte, wie ein nervöses Kribbeln in ihm aufstieg. Auf genau die Art und Weise, die eigentlich niemand haben wollte.

„Natürlich", antwortete er also und räusperte sich, um den Kloß aus seinem Hals zu bekommen.

„Du und Louis...", begann Liam und bemerkte, wie Harry's Gesicht schneeweiß wurde. „Ihr seid-"

„Freunde, was sonst?", fiel er ihm augenblicklich ins Wort und versuchte, dabei so unaufgeregt wie nur irgendwie möglich zu klingen.

„Bist du dir da sicher?"

Harry konnte es an seiner Stimme hören.

Er glaubte ihm nicht.

Er mochte Liam, und das tat er wirklich, aber er konnte ihm einfach nicht die Wahrheit sagen.

Je mehr Leute davon erfuhren, desto gefährlicher wurde die Sache für alle Beteiligten.

„Ja, wie kommst du denn darauf, dass-"

„Harry...", unterbrach Liam ihn vorsichtig. „Ich möchte euch nichts Böses, das weißt du doch. Aber ich habe gesehen, wie ihr euch geküsst habt."

Harry riss seine Augen weit auf. „Was?", stammelte er, während sein Herzschlag sich beschleunigte. „Du darfst das niemals jemandem erzählen..."

Liam schüttelte entschlossen den Kopf. „Natürlich nicht", versprach er. „Aber ... Wenn ich euch sehen kann, können andere das auch..."

Harry schluckte. „Das ist wirklich eine lange Geschichte..."

„Du musst dich nicht rechtfertigen", lächelte Liam. „Ich werde nicht zu Johnson gehen und meine Freunde verraten. Aber andere vielleicht schon."

Harry nickte. Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn. „Was, wenn noch mehr davon wissen?"

Einen Moment lang dachte Liam über diese Option nach, schüttelte dann allerdings den Kopf. „Das glaube ich nicht", antwortete er. „Glaub mir, das hättet ihr innerhalb kürzester Zeit mitbekommen."


Niall und Louis hingegen hatten sich in einen kleinen Park auf dem Festland zurückzuziehen, um die Unterlagen in Ruhe durchzusehen.

Es waren auch einige ärztliche Befunde dabei, aus denen hervorging, dass Harry's Rettung tatsächlich in letzter Minute erfolgt war.

Zwar hatte Niall wenig bis gar keine Ahnung von Medizin, aber das war auch gar nicht nötig.

Die Ärzte hatten fein säuberlich alle Werte auf einer extra Seite definiert und diejenigen markiert, die kritisch gewesen waren.

Das waren unter anderem Harry's Körpertemperatur und dessen Herzschlag, die völlig aus dem Gleichgewicht geraten waren.

Außerdem fand Niall einige Bilder, die Harry's Lippen, Finger und Zehen zeigten, die schon ganz blau geworden waren.

Louis sah Niall fragend an. „Kannst du dich noch daran erinnern, was passiert ist, als du ihn aus dem Wasser gezogen hast?"

Niall nickte. „Er war kaum ansprechbar, konnte nicht richtig sprechen und wirkte verwirrt", antwortete er wahrheitsgemäß. „Nachdem er sich übergeben hatte, musste ich ihn pausenlos wachhalten, ansonsten wäre er eingeschlafen und vermutlich nicht mehr aufgewacht."

Die Erinnerung daran fühlte sich für ihn an wie ein Schlag in die Magengrube.

In diesem Moment hatte er eine so intensive Angst ausgestanden, dass er sie noch heute spüren konnte, wenn er daran zurückdachte.

„Aber davon steht in diesem Bericht gar nichts", bemerkte Louis und suchte mit den Augen irritiert die Zeilen ab. „Hier steht: Der Patient ist wach und orientiert, ohne Bewusstseinsstörungen."

Niall schüttelte fassungslos den Kopf. „Das soll doch wohl ein Scherz sein."

„Das steht hier", wiederholte Louis und hielt ihm aufgebracht den Arztbrief entgegen.

Niall konnte kaum glauben, was er dort las. „Aber das ist gelogen", presste er hervor und überflog die Zeilen noch einmal. Aber es gab keinen Zweifel. Louis hatte Recht.

„Das heißt also, seine Werte waren in Wahrheit noch viel schlechter, als in diesem Bericht dargestellt?", wollte Louis wissen.

„Wahrscheinlich", überlegte Niall, ohne seinen Blick von dem Bericht zu heben.

Louis kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Hattest du mir nicht erzählt, dass Johnson Kontakte in der medizinischen Versorgung von Pearl Harbor hat?"

Dann fiel es Niall wie Schuppen von den Augen. „Ja", antwortete er und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Wie konnte ich das vergessen?"

Aufgebracht fuhr er sich mit den Händen über das Gesicht. „Sein Bruder ist Leiter der Station, auf der Harry damals behandelt wurde."

Louis öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch er konnte nicht.

Er war sprachlos.

„Ich glaub' das einfach nicht", riss Niall ihn schließlich aus seinen Gedanken. „Wenn Johnson nicht so verantwortungslos gehandelt hätte, wäre dieser Unfall nie passiert – und deshalb hat sein Bruder ihm geholfen, die Ergebnisse seiner Entscheidung zu vertuschen. Deshalb hat man ihn auch nicht entlassen."

„Das wird er auch noch zu spüren kommen", beteuerte Louis, „Und wenn es das Letzte ist, was ich tue."
____________
Einen schönen Freitagabend wünsch ich euch!🤍
Na, wie war eure Woche?
Bin gespannt, was ihr zu dem Kapitel sagen werdet.🫶🤍

All the love,
Helena xx

Pearl HarborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt