o3. Ein Krampf im Bein

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Für die Schwimmübung versammelten sich die Soldaten an diesem sonnigen Nachmittag an einem abgeschiedenen Abschnitt des Hafens. Sie trugen ihre Kampfausrüstung – Gewehre, Helme und Tragegeschirre – während sie in Badebekleidung drunter bekleidet waren. Das türkisfarbene Wasser des Hafens schimmerte in der grellen Nachmittagssonne und die sanften Wellen schwappten gegen den sandigen Uferstreifen.

Sergeant Johnson, ihr Vorgesetzter und ein erfahrener Marineoffizier, führte die Übung und rief die Soldaten in klarer und bestimmter Stimme zur Aufmerksamkeit.

„Wir werden eine Wasserkampfübung ausführen", erklärte er und sah in die Gruppe. „Die Übung dient dazu, Ihre Kampffähigkeiten im Wasser zu verbessern, da Sie im Ernstfall auf jede mögliche Kampfsituation vorbereitet sein müssen."

Harry schlug das Herz bis zum Hals.

Sein Brustkorb zog sich unangenehm zusammen und seine schweißnassen Hände umklammerten fest das Gewehr.

Dann wateten die Soldaten in das flache Wasser, ihre Ausrüstung fest im Griff. Sergeant Johnson beauftragte sie, verschiedene Schwimmtechniken auszuführen und zu üben, einschließlich Schwimmen mit und ohne Gewehr, sowie das sichere Manövrieren im Wasser mit ihrer Ausrüstung.

Harry versuchte, die Enge in seiner Brust zu ignorieren.

Er tat, was man ihm sagte, und doch schien sein Körper viel zu steif zu sein, um den Anweisungen schnell genug Folge zu leisten.

Er kannte sich so nicht.

Eigentlich war er ein hervorragender Schwimmer – doch jetzt schien ihn die Angst zu übermannen.

Er spürte das Wasser um sich, wie es ihn umgab und wie es bei jeder seiner Bewegungen um seine Gliedmaßen floss.

Wie schwer es war, sich im Wasser fortzubewegen, verglichen mit den Bedingungen an Land.

Und dann kamen sie: die Bilder von dem Unfall, den er während einer reinen Routineübung auf hoher See gehabt hatte.

Nachdem die Grundlagen geübt worden waren, verlagerte sich die Übung in tiefere Gewässer.

Als Harry den Grund nicht mehr unter seinen Beinen spüren, oder ihn zumindest sehen konnte, beschleunigte sich seine Atmung.

Das Herzrasen wurde so intensiv, dass er das Gefühl hatte, zu ersticken.

Niall, der dicht neben ihm schwamm, bemerkte die Notsituation seines Freundes sofort. „Harry?"

Der junge Soldat zitterte am ganzen Körper, und doch wurde ihm plötzlich wahnsinnig heiß.

„Ich bekomme keine Luft mehr", wimmerte er und strampelte unkoordiniert mit den Beinen.

„Du musst ordentlich schwimmen, Harry", schrie Niall über den Lärm hinweg, den die restlichen Soldaten der Einheit machten.

Als Louis an den beiden Männern vorbeischwamm, brauchte er nicht lange, um zu erkennen, dass Harry panisch mit den Armen ruderte.

Ihm wurde schwindelig, er spürte, wie sich sein Hals weiter zuschnürte.

Und diese Hitze ... Ihm war so schrecklich heiß, und gleichzeitig fröstelte er, während er in Panik mit den Beinen strampelte.

Er musste sich einige Meter über dem Meeresgrund befinden, denn er konnte ihn nicht mehr spüren, noch nicht einmal als er immer wieder mit dem Kopf unter Wasser tauchte, weil seine panischen Schwimmbewegungen ihn nicht mehr über Wasser halten konnten.

Niall und Louis blickten sich einen Moment lang an, und sie wussten sofort, was zu tun war.

Louis, der sich hinter Harry befand, schlang einen Arm um den Oberkörper seines Kameraden und stützte ihn, damit er nicht wieder versinken konnte. Louis versuchte, beruhigend auf ihn einzureden, während er ihn Stück für Stück in Ufernähe zog.

Harry konnte es klar vor sich sehen: Das eiskalte Wasser, mitten auf dem Pazifik, während er voller Angst um Hilfe rief, während er fest davon überzeugt war, man würde ihn nie wieder finden. Hier, mitten auf dem offenen Ozean, wo ein einzelner Soldat in seiner Uniform kaum auffiel.

Die Messerstiche, die er am ganzen Körper zu spüren schien, weil das Wasser so verdammt kalt war.

Die nackte Panik, die Besitz von ihm ergriffen hatte, und plötzlich die Frage aufwarf, was sich alles unter ihm befand, ohne dass er es eigentlich wusste.

Als Louis ihn auf einen niedrigen Felsen am Ufer zerrte, atmete er noch immer schwer.

Doch als er den Felsen unter seinen Händen spüren konnte, schien das Engegefühl in seiner Brust nachzulassen.

Louis legte ihm besorgt eine Hand auf die Schulter. Er sah noch immer die Panik in Harry's Augen.

„Lass uns hier einfach eine kleine Pause machen", schlug er vor und beobachtete, wie Harry's Atmung sich wieder etwas verlangsamte.

Völlig erschöpft schloss der junge Soldat die Augen.

„Was ist denn los?", hörte er Louis neben sich fragen, „Geht es dir nicht gut?"

„Doch, alles okay", keuchte Harry, „Ich habe bloß einen Krampf im Bein."

„Dann streck es aus", erwiderte Louis prompt und lächelte ihn aufmunternd an.

Niall warf den beiden einen besorgten Blick zu, doch er erkannte, dass Louis die Situation im Griff hatte.

Auch Sergeant Johnson war die ganze Sache natürlich nicht unbemerkt geblieben.

Er kam auf die beiden zu und blickte in Harry's schneeweißes Gesicht. „Was ist hier los, Jungs?"

Harry, der sich auf gar keinen Fall etwas anmerken lassen wollte, presste eine Antwort aus der zitternden Brust. „Alles in Ordnung", gab er zur Antwort, obwohl es gelogen war.

Misstrauisch zog der Unteroffizier eine Augenbraue nach oben. „Bist du dir sicher, dass alles okay ist, Harry? Ich habe bemerkt, dass du im Wasser ein wenig unbeholfen wirkst."

Harry wich dem Blick seines Vorgesetzten aus und richtete ihn stattdessen starr auf den Boden.
Diese Aussage durchfuhr seine Brust wie ein scharfer Dolch.

„Ja, es geht mir gut", antwortete er also. „Ich habe bloß einen Krampf im Bein."

„Richtig", schaltete Louis sich ein. „Deshalb sind wir kurz ans Ufer geschwommen."

Noch immer nicht wirklich überzeugt, gab Sergeant Johnson sich allerdings geschlagen. „Dann setz' diese Übung aus und hol dir beim Schiffsarzt etwas Magnesium."
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Soo meine Lieben, jetzt habt ihr die ersten Kapitel zum Lesen bekommen🥰
Was sagt ihr? 🥰♥️
Danke für's Lesen und einen schönen Abend ♥️

All the love,
Helena xx

Pearl HarborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt