41. Wenn du fällst...

107 29 26
                                    

Irgendwann musste Harry Louis' Hand entglitten sein.

Er wusste nicht, wann er ihn verloren hatte.

Ob er ihm bereits während des Falls oder erst beim ersten, zweiten, dritten oder zehnten Aufpralls entrissen worden war.

Harry konnte nichts mehr sehen.

Alles war schwarz.

Wie ein Spielball wurde er über das Deck geschleudert, zog sich dutzende, schwere Prellungen zu und stieß sich den Kopf.

So sehr, dass er das Bewusstsein verlor.

Der Geruch nach verbranntem Fleisch und in Flammen stehenden Öls durchdrang die Luft.

Die vier Männer hatten einander verloren.

Harry blinzelte. Im ersten Moment wusste er gar nicht, was ihn geweckt hatte.

Er sah die riesige Rauchwolke, die von der USS Arizona aus in den Himmel stieg.

Sie schien plötzlich alles auszufüllen.

Die ganze Luft um ihn herum.

Seine Atemwege.
Sein gesamtes Blut.

Einfach alles.

Wieder verlor er das Bewusstsein, als der stechende Schmerz in seinen Kopf schoss.

Aber er und die anderen Männer im hinteren Teil des Schiffes hatten Glück.

Der Fockmast und die vorderen Aufbauten hatten einen Großteil des der Druckwelle abgefangen und die vorherrschenden Passatwinde, die von der Backbordseite des Schiffes kamen, lenkten einen erheblichen Teil des Rauches von den Männern weg.

Und dann kam er.

Ganz dicht neben ihm.

Der Befehl zum sofortigen Verlassen des Schiffes.

Harry spürte, wie jemand an seiner Schulter rüttelte.

So fest, dass eine neue Schmerzwelle durch seinen Körper schoss.

„Harry!", rief eine ihm bekannte Stimme wie aus weiter Ferne – wenn es auch die letzte war, mit der er gerechnet hatte.

Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie ein weiteres Mal und konnte das Gesicht seines Vorgesetzten erkennen.

Das Gesicht des schwer verbrannten Sergeant Johnson, der sich ebenfalls vor Schmerzen krümmte.

Panisch sah er sich nach seinen Freunden um, doch er konnte sie nirgends finden.

Manche Soldaten sprangen in ihrer Verzweiflung trotz des Brandes von Bord und versuchten, Ford Island über das Wasser zu erreichen.

Sergeant Johnson rüttelte Harry ein weiteres Mal, um ihn am Einschlafen zu hindern. „Steh auf", presste er hervor und zog den jungen Soldaten an seiner mittlerweile von Brandflecken durchlöcherten Uniform nach oben.

Die ersten Schritte waren etwas wackelig, doch dann konnte er seinem Vorgesetzten zumindest selbstständig folgen, ohne auf dessen Stütze angewiesen zu sein.

Johnson dirigierte ihn auf die rechte Seite des Schiffes. „Dein Freund hat nach dir gefragt."

Harry's Bewusstsein schien mit einem Mal vollständig in ihn zurückgekehrt zu sein. „Louis?"

Johnson nickte.

„Wo ist er?"

In schnellen Schritten näherten sich die Männer dem seitlichen Areal, von dem man hinüber zur USS Vestal sehen konnte, die neben der Arizona im Hafen lag.

Pearl HarborWo Geschichten leben. Entdecke jetzt