Harry verstand nicht, was plötzlich mit Louis los war.
Er schien ihm aus dem Weg zu gehen, ihn zu meiden. Ständig wimmelte er ihn ab und versuchte, möglichst beschäftigt auszusehen, um bloß nicht mit ihm sprechen zu müssen.
Dabei brauchte Harry dringend jemanden zum Reden.
Die USS Arizona würde in wenigen Tagen zu der ersten Übung auf dem offenen Pazifik aufbrechen, auf der Harry seit seinem Unfall am Anfang des Jahres teilnehmen musste.
Er hatte Angst, er konnte nachts nicht schlafen, er konnte nicht essen, und er war mit den Gedanken ständig woanders.
Louis schien das gar nicht zu bemerken.
Natürlich hatte Harry mit Niall geredet. Doch auch der schien sich irgendwie anders zu verhalten, als sonst, wenn auch nicht so distanziert.
Er fühlte sich so allein.
Es war ein schreckliches Gefühl, plötzlich fallen gelassen zu werden, als hätte er irgendetwas schreckliches verbrochen.
Vielleicht waren sie genervt von seiner ständigen Angst?
Genervt von der ständigen Fürsorge, die sie leisten mussten, weil er sein Leben nicht auf die Reihe bekam.
Genervt von der Tatsache, dass er ihnen in den letzten Wochen immer weniger zugehört hatte, weil er so sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war.
Wenn er so recht darüber nachdachte, wusste er eigentlich gar nicht, was in letzter Zeit in Niall's Leben passiert war.
Er wusste nicht, wie es Mary ging, wie Oliver sich entwickelte und ob es seinen Eltern gut ging.
Bestimmt hatte auch Niall das Bedürfnis gehabt, ihm davon zu erzählen, sich aber zurückgehalten, um ihn nicht weiter zu belasten.
Dabei belastete es ihn doch gar nicht, wenn er ihm von seinen Sorgen erzählte.
Er war immerhin sein bester Freund.
Er hätte alles für ihn getan.
Als er Louis also am Nachmittag zur Seite nahm, sah dieser erneut ziemlich nervös aus. „Harry...", presste er hervor, „Können wir später reden? Ist gerade ganz schlecht..."
Enttäuscht schüttelte Harry den Kopf. „Dieses Mal nicht", sagte er entschieden. „Du kannst mir nicht für immer aus dem Weg gehen."
„Was meinst du damit?", wollte Louis wissen. „Ich gehe dir doch nicht aus dem Weg."
„Du hast seit fast einer Woche kein Wort mehr mit mir gesprochen", klagte Harry. „Du willst keine Zeit mehr mit mir verbringen, geschweige denn mich küssen oder auch nur eine Sekunde lang berühren."
Louis seufzte. „Das ist doch gar nicht wahr", log er und spürte, wie seine Brust sich verhärtete, als er das verdächtige Glänzen in Harry's Augen sah.
Er wollte ihm doch gar nicht so wehtun.
Aber er wusste einfach nicht, wie er sonst mit der Situation umgehen sollte.
Harry presste die Lippen zusammen und kämpfte gegen den Kloß an, der sich in seinem Hals bildete. „Bereust du es?"
Louis konnte ihn deutlich spüren.
Den Stich in seiner Brust.
„Was?", hakte er fassungslos nach und griff nach Harry's Hand. „Natürlich nicht..."
Harry konnte nicht mehr verhindern, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen. „Warum willst du dann nichts mehr von mir wissen?"
Louis spürte das Brennen in seiner Brust.
Es zerriss ihm das Herz.
Ohne weiter darüber nachzudenken, zog er Harry fester an sich. Behutsam strich er ihm die Haare aus dem Gesicht und legte eine Hand an seine Wange. „Das wollte ich nicht", flüsterte er. „Ich habe nicht gewusst, dass du dir solche Gedanken machst..."
Ungläubig sah Harry seinem Freund in die blauen Augen. „Was hast du erwartet?"
Louis seufzte. „Ich weiß es nicht", antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich hatte einfach viel zu tun, weißt du, ich war nicht ganz bei mir..."
Harry löste sich von ihm, als er bemerkte, dass er ihn anlog. „Und was sollte überhaupt dieser komische Kommentar gegenüber Johnson bei der letzten Schwimmübung?", wollte er wissen, „Er hat keine Schuld an meinem Unfall. Ich bin von Bord gefallen."
Louis presste die Lippen fest zusammen, um sich eine Antwort verkneifen zu können.
Er dachte an dessen Worte und die Tatsache, dass er vermutlich Recht hatte mit der Annahme, dass es Harry nur noch schlechter gehen würde, sollte er ihm die Wahrheit sagen.
„Ich weiß", antwortete er, obwohl alles in ihm sich gegen diese Aussage wehrte. „Ich hatte einfach nur einen schlechten Tag."
Harry reagierte misstrauisch. „Das glaube ich dir nicht."
„Warum nicht?"
„Weil niemand einfach so solche Behauptungen in den Raum wirft", entgegnete Harry. „Was hat er überhaupt zu dir gesagt, während du in seinem Büro warst?"
„Ich kann ihn eben einfach nicht leiden", wich Louis seiner Frage aus.
„Warum das denn?", hakte Harry nach. „Er ist doch ein ganz guter Vorgesetzter, der sich gut um uns kümmert."
Louis verdrehte die Augen und konnte den gereizten Unterton in seiner Stimme nicht verstecken. „Ich habe einfach kein gutes Gefühl dabei."
Harry verschränkte die Arme vor der Brust und zwang sich, die Tränen ein weiteres Mal herunterzuschlucken. „Wenn du meinst."
Ein tiefes Seufzen drängte sich aus Louis' Brust.
Er konnte erkennen, dass da noch etwas war, was Harry beschäftigte.
Und er konnte sich auch sehr gut vorstellen, was es war.
„Hast du von der Übung gehört, zu der wird bald auslaufen sollen?"
Harry zog irritiert die Augenbrauen zusammen.
Sofort fuhr er seine Schutzmauern wieder ganz nach oben.
„Ja", sagte er lediglich.
Ein besorgter Ausdruck mischte sich auf Louis' Gesicht mit der Nervosität. „Macht sie dir Angst?"
„Natürlich tut sie das", fauchte Harry gereizt, „Und du bist nicht da, während ich dich am meisten brauche."
Harry biss sich auf die Unterlippe.
Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, ihm solche Vorwürfe an den Kopf zu werfen.
Aber er konnte es einfach nicht länger für sich behalten.
Er war verletzt.
Wieder blitzten die Erinnerungen an seinen Unfall vor seinem inneren Auge auf.
Zusammen mit dem einzigen Gedanken, den er in den letzten Tagen seit der Ankündigung der Übung gehabt hatte: Auf dem offenen Meer gab es keine Fluchtmöglichkeit mehr.
Wenn die Erinnerungen kamen, konnte er nichts mehr dagegen tun.
Harry zitterte. „Was, wenn es wieder passiert?"
Entschieden schüttelte Louis den Kopf. „Das wird es nicht", antwortete er. „Niall und ich werden auf dich aufpassen."
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Einen schönen Donnerstagabend meine Lieben.🤍
Kind ist im Bett und ihr bekommt ein neues Kapitel.🤍
Wie war eure Woche?🤍All the love,
Helena xx
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Pearl Harbor
FanfictionIn den schicksalhaften Tagen des Jahres 1941, während sich die Welt inmitten von Spannungen und Unsicherheit befindet, entfaltet sich in Pearl Harbor eine Geschichte von Mut, Liebe und Vertrauen. Louis wird neu in Pearl Harbor stationiert und lernt...