Wenige Tage später brach die USS Arizona samt Besatzung zu der angekündigten Übung auf.
Das Schiff fuhr in den frühen Morgenstunden los und nahm Kurs auf den offenen Pazifik.
Harry hatte die ganze Nacht lang nicht eine einzige Minute lang geschlafen.
Die Angst hatte ihn von einer Seite seines Bettes auf die andere gestoßen, immer und immer wieder, bis er schließlich aufgestanden war, um nach draußen zu gehen.
Es war etwa vier Uhr morgens, und der Pazifik lag kalt und dunkel vor ihm. Harry spürte, wie seine Brust sich schmerzhaft zusammenzog.
Es war, als würde das Wasser ihn hämisch angrinsen.
Der Himmel hing voller grauer Wolken, die Witterungsbedingungen waren Anfang Dezember eher schlecht und das Schiff schaukelte gewaltig hin und her.
Harry hielt sich an der Reling fest und warf einen Blick nach unten.
Seine Hände wurden schweißnass und das Herz jagte aufgeregt in seiner Brust.
„So früh schon wach, Harry?", ertönte da plötzlich eine bekannte Stimme hinter ihm.
Als er sich umdrehte, ohne die Reling loszulassen, sah er in Sergeant Johnson's Gesicht.
Dieser lehnte sich neben ihn und musterte ihn von oben bis unten.
Natürlich entging ihm trotz der Dunkelheit nicht die Leichenblässe, die sich auf Harry's Gesicht gelegt hatte.
Harry schluckte schwer.
Er antwortete nicht und wich stattdessen seinem Blick aus.
„Mach' dir keine Sorgen", kam es da plötzlich von seinem Vorgesetzten, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Das wird nicht noch einmal passieren. Vertrau mir."
Harry spürte den eiskalten Schauer, der seinen Rücken nach unten lief.
So direkt war er noch nie davon ausgegangen, dass Harry tatsächlich an Ängsten litt, die er nicht kontrollieren konnte.
Bisher hatte er nur Fragen dazu gestellt, keine Schlussfolgerungen.
„Ich mache mir keine Sorgen", entgegnete Harry, möglichst kühl, doch das Zittern in seiner Stimme verriet ihn.
„Gut", sagte Johnson und bedachte ihn mit einem misstrauischen Blick.
Harry konnte sich kaum noch auf das Gespräch konzentrieren, so sehr war sein Kopf damit beschäftigt, das Wasser auszublenden, das ihn vor einem halben Jahr fast verschluckt hätte.
Nach einer kurzen Stille sah Johnson ihn fragend an. „Was ist eigentlich los mit deinem Freund?"
Irritiert zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Niall?"
„Louis."
Harry war so überrascht von der Frage, dass ihm Johnson's Betonung auf dem Wort Freund gar nicht auffiel.
Schließlich dachte er eine Weile über eine passende Antwort nach.
Aber er hatte keine. Er wusste es doch selbst nicht.
Und das brachte ihn wieder zu der ewig präsenten Frage: Habe ich etwas falsch gemacht? Was habe ich getan, damit er mir so gezielt aus dem Weg geht?
Wieder öffneten sich die Wunden in ihm erneut.
Er spürte, wie sein Herz schwer wurde in der ohnehin erschöpften Brust.
„Ich weiß es nicht", gab er also wahrheitsgemäß zur Antwort. „Ich glaube, er hatte wohl einfach keinen guten Tag."
Sergeant Johnson blickte einen Moment lang auf das Meer. „Also hat er dir nichts erzählt?"
Irritiert ließ Harry seinen Blick zu ihm wandern. „Was sollte er mir erzählen?"
Johnson zuckte nur beiläufig die Schultern. „Nichts Besonderes", winkte er ab. „Ich wollte nur wissen, ob er dir gegenüber geäußert hat, weshalb er sich in letzter Zeit so seltsam verhält."
Harry schüttelte den Kopf. „Eigentlich redet er fast gar nicht mehr mit mir."
Für einen Moment lang erkannte er einen zufriedenen Ausdruck auf dem Gesicht seines Vorgesetzten. „Vielleicht ist er im Moment einfach nur sehr mit sich selbst beschäftigt und muss ein paar Dinge für sich selbst herausfinden."
Harry senkte seinen Blick.
Ja, dachte er bei sich. Den gleichen Gedanken hatte er auch schon gehabt.
Ging Louis ihm aus dem Weg, weil er insgeheim doch bereute, mit ihm geschlafen zu haben?
Weil er sich insgeheim vor ihm ekelte und sich fragte, wie das alles nur hatte passieren können?
War er genervt von Harry's Angstattacken und der ständigen Unterstützung, die er von ihm brauchte?
Vermutlich.
Was gab es schließlich Unattraktiveres, als jemanden, der nicht mit beiden Beinen im Leben stand, sondern sich im wahrsten Sinne des Wortes gerade noch so über Wasser halten konnte?
Harry presste die Lippen zusammen, um sich vor Johnson nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn das Thema eigentlich beschäftigte.
Nicht nur die Angst ließ ihn nachts nicht schlafen.
Auch die Sache mit Louis ließ ihn pausenlos grübeln.
Wahrscheinlich war er ihm einfach zu sehr auf die Nerven gegangen mit seinen ständigen Problemen und der lächerlichen Art und Weise, auf die er Angst vor etwas so Banalem wie dem Wasser hatte.
Hinzu kam die Tatsache, dass Louis selbst gesagt hatte, dass er bisher immer nur mit Frauen zusammen gewesen war.
Vielleicht hatte er sich auch einfach getäuscht und war sich dessen erst jetzt bewusst geworden.
Sergeant Johnson riss ihn mit einem tiefen Seufzen aus seinen Überlegungen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass das der richtige Umgang für dich ist, Harry."
Verwirrt schüttelte Harry den Kopf. „Woher wollen Sie das wissen?"
„Ist nur so ein Gefühl", antwortete Johnson, klopfte ihm auf die Schulter und ging.
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Happy Halloween meine Lieben!🎃👻
Was habt ihr heute so vor?
Ich werd mich mit meinem Kleinen im Bett verkrümeln und "Blaze und die Monstermaschinen" anschauen. Das ist seine neue Lieblingsserie. Ich freu mich tierisch😂
Hat euch das Kapitel gefallen?🤍All the love,
Helena xx
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Pearl Harbor
FanficIn den schicksalhaften Tagen des Jahres 1941, während sich die Welt inmitten von Spannungen und Unsicherheit befindet, entfaltet sich in Pearl Harbor eine Geschichte von Mut, Liebe und Vertrauen. Louis wird neu in Pearl Harbor stationiert und lernt...