34. Kommst du mit mir?

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Für die kommenden zwei Tage hatte der Schiffsarzt ihn freigestellt.

Harry wusste nicht, ob er froh oder verzweifelt sein sollte, aber zumindest würde er auf diese Art und Weise den Schwimmübungen auf offener See entkommen.

Allein bei dem Gedanken daran drehte sich ihm der Magen um.

Als er beim Abendessen neben Niall saß und in seinem Essen herumstocherte, fasste er sich ein Herz und sprach das aus, was ihm bereits die ganze Zeit im Kopf herumspukte.

„Ich weiß immer noch nicht, ob ich zum Schiffsarzt gehen sollte oder nicht", murmelte er und wich dem Blick seines besten Freundes aus.

Dieser seufzte und sah ihn mitfühlend an. „Dir wird nichts anderes übrigbleiben, Harry", entgegnete er. „Zumindest nicht, wenn du in der Marine bleiben willst."

Harry spürte, wie seine Brust sich zusammenzog. „Aber was, wenn sie mich nach dem Gespräch entlassen?"

„Das werden sie nicht tun", beharrte Niall. „Und das weißt du. Die Marine hat doch ein genauso großes Interesse daran wie du, dich wieder auf die Beine zu bekommen. Schließlich hast du in der Vergangenheit mehrmals bewiesen, dass du mehr als nur eine Bereicherung für deine Einheit bist."

Harry lächelte und spürte, wie Niall's Worte ihm einen Teil der Angst nahmen. „Vielleicht hast du Recht."

„Wie immer", zwinkerte Niall und nahm einen Schluck aus seinem Wasserglas.

„Kann ich dich etwas fragen?"

„Natürlich."

Harry wich seinem Blick aus. „Glaubst du, Louis hat sich nur bei mir entschuldigt, weil er Mitleid mit mir hat?"

Irritiert zog Niall die Augenbrauen zusammen. „Nein", antwortete er aufrichtig. „Wie kommst du denn darauf?"

Harry zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht", gab er zurück, „Irgendwie hat er sich in letzter Zeit so seltsam mir gegenüber verhalten..."

Niall spürte, wie das Unbehagen in seiner Brust immer größer wurde. Er wollte ihn nicht anlügen.

Gleichzeitig wollte er ihn allerdings auch nicht in das nächste, abgrundtiefe Loch stoßen.

„Ich glaube, er war mit der Situation einfach überfordert", sagte er, wofür er noch nicht einmal lügen musste.

Harry schüttelte den Kopf. „Dann hätte er mit mir darüber reden sollen."

Nachdenklich presste Niall die Lippen zusammen. „Ja, das hätte er vielleicht tun sollen", lenkte er ein, während ihm selbst bewusst wurde, dass er kein Stück besser war als Louis.

Auch er war nicht ehrlich zu Harry.

Diese Tatsache verfolgte ihn in jeder Sekunde seines Tages, und er hatte keine Ahnung, wie er richtig mit dieser Situation umgehen sollte.

Vielleicht sollten sie ihm einfach die Wahrheit sagen, um die Thematik ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.

„Setz dich doch heute Abend mit ihm auf ein Bier zusammen", schlug Niall vor. „Ihr müsst miteinander reden. Nur so lässt sich die Situation klären."

„Keine schlechte Idee", kommentierte Harry, obwohl er nicht wirklich überzeugt klang.

Eigentlich wusste er nicht, was er Louis sagen sollte.

Immerhin konnte er verstehen, dass seine Ängste nicht nur ihn selbst überforderten.

Der Unterschied war nur, dass Louis vor ihnen weglaufen konnte.

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