Kapitel 14

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Die Tage vergehen wie im Flug. Ich habe die letzten paar Tage Luke ignoriert und habe nur mit ihm geredet, als er mich fragte ob ich etwas essen will. Um ehrlich zu sein fiel mir das echt schwer und ich weiß nicht ob ich das länger aushalte. Ich will hier endlich raus und endlich wieder leben. Also nehme ich mir vor, Lukes Autoschlüssel zu klauen und abzuhauen, natürlich nur für ein paar Tage, dann würde ich wieder zurückkommen. Am Abend schleiche ich in sein Zimmer und durchsuche seine Jackentaschen und mache mich fündig. Der ist aber auch naiv.

Mit Zehenspitzen packe ich ein paar Sachen zusammen und verlasse dann das Haus. Ich sperre das Auto auf und schnalle mich an. Das Knurren des Motors erinnert mich an meine Fahrprüfung, die ich unglücklicherweise nicht bestand. Nicht, weil ich zu dumm dafür war. Ich denke ich war einfach noch nicht bereit dafür. Ein Auto selbstständig zu fahren bedeutet Selbstverantwortung. Ich hatte mich dazu nicht entschieden, also flog ich durch. Absichtlich. Doch jetzt muss ich bereit sein. Ich muss Selbstverantwortung übernehmen. Ich ziehe die Handbremse und gebe nun Gas. Zuvor hatte ich eine Landkarte rausgesucht, die ich mir auf den Beifahrersitz platzierte. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Luke merkt, dass ich weg bin, also muss ich Gas geben. Wortwörtlich.

Ich fahre die leere Straße entlang und habe kein Plan wo ich hinfahre. Nach ungefähr einer viertel Stunde beschließe ich an einer Tankstelle anzuhalten, da es zu dunkel ist und ich die Straße nicht mehr sehen kann.

Ich setze mich auf die Theke und bestelle mir einen Café. Mit der Landkarte vor meiner Nase versuche ich herauszufinden wie ich am schnellsten von hier nach Lancaster komme. Ich will endlich meiner Familie sagen, dass es mir gut geht und sie sich keine Sorgen machen müssen, denn ich halte es nicht mehr aus. Was sie wohl zu meiner Rückkehr sagen würden? Ich glaube ihnen würde ein Stein vom Herzen fallen und mir ebenfalls da ich sie nach langem wieder in meine Arme nehmen kann.

Ich verbringe hier schon eine Zeit, aber daraus mache ich mir nichts. Denn ich habe alle Zeit der Welt. Ich kaufe mir ein Magazin und bringe mich auf den neusten Stand. Laufend kommen Menschen rein, doch die bemerke ich schon nicht mehr. Als ich einen spannenden Modeartikel finde und völlig konzentriert die Zeilen lese, bemerke ich plötzlich wie sich ein Schatten über mir bildet. Jemand steht vor mir. Als ich die Zeitung bei Seite lege um zu sehen wer es ist, kann ich meinen Augen nicht trauen

Ich versuche nicht ängstlich zu wirken, doch mein Herz pumpt wie wild. Ich schaue John in die Augen. Dem John, dem ich in der Irrenanstalt, ausgenützt hatte.

„Hallo Samara.", lächelt er mich scheinheilig freundlich an. „Wie.. Wie hast du? Ich meine..", stottere ich unsicher. John lacht „Weißt du Samara, ich bin ein guter Computerfreund und konnte mich so aus der Anstalt raushacken. Da staunst du was? Ich habe dich schon überall gesucht und endlich habe ich dich gefunden. Ich glaube wir müssen noch etwas klären. Kommst du mit, wenn du so freundlich wärst?"

Ich schlucke schwer. Als ich gerade den Mund einen Spalt öffne um loszuschreien zieht er eine Knarre hervor und zielt sie unauffällig auf mich. „Wenn du schreist, schieße ich.", droht er mir. Also folge ich ihm nach draußen. Ich stelle meinen Rucksack vorsichtig neben mich hin und lasse ihn nicht aus den Augen.

„Was hast du vor? Willst du mich ernsthaft erschießen?", frage ich selbstbewusst um meine Angst zu überspielen. Obwohl ich nicht gerade sehr überzeugend klinge. Er zerrt an meinem Handgelenk und geht mit mir um die Ecke, sodass uns die Angestellte von der Tankstelle nicht sehen kann. Als wir die Ecke erreichen und er mir gegenüber steht, fällt mir etwas ein. Also nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und ziehe den Plan durch.

Ich gehe ein paar Schritte zurück mit dem Blick nicht auf ihn gerichtet, sondern etwas hinter ihm. Er sieht mich mit einem ungläubigen Blick an und dann dreht er sich um, um zu sehen, dass ich ihn die ganze Zeit nur reingelegt habe. Ich schnappe ihm die Waffe aus der Hand und bedrohe ihn damit. Um ehrlich zu sein hatte ich bis jetzt noch nie eine Waffe in der Hand und habe auch keine Ahnung wie diese funktioniert. Meine Hand, in der ich die Pistole halte, zittert. Mein Herz schlägt wie wild und ich kann förmlich spüren wie die Angst in mir steigt. „Gib mir die Waffe, Samara!", fordert er mich auf, weshalb ich mich noch mehr an die Pistole mit meiner Hand klammere. Ich weiß nicht was ich tun soll. Normalerweise fällt mir doch sonst etwas ein, aber gerade jetzt macht mein Gehirn eine Pause. Ich könnte John anschießen und ihn verletzen, oder ich lasse die Waffe fallen und lasse mich abschießen. Ich kann weder das eine noch das andere. Was mache ich bloß hier?

Ich senke meinen Arm und lasse die Waffe fallen. Tränen laufen meine Wangen herunter und mein Herz schlägt wie wild. John hebt die Waffe auf. Werde ich jetzt sterben?
Er hält sie auf mich. Mein Kopf ist gesenkt, sodass er meine Tränen nicht sehen kann. Warum war ich auch nur so dumm und denke ohne Luke wäre ich besser dran? Ich wünsche mir, dass ich ihn noch ein letztes Mal umarmen kann. Seinen Duft riechen kann, durch seine Haare wuscheln und seine Nähe spüren kann. Das würde jetzt reichen. Ich will einfach nur bei ihm sein. Jetzt wird mir bewusst, dass ich ihn liebe. Ich liebe seine Art. Wie er auf kalt tut, was er eigentlich gar nicht ist. Wie er mich anlächelt, wenn ich ihn wieder mal anstarre. Wenn er mich küsst. Wie er mich küsst. Ich bekomme jedes Mal Schmetterlinge im Bauch wenn ich daran denke. Wenn ich bei ihm bin. Ich hoffe nur ihm geht es gut. Ich glaube ich bin bereit zu sterben.

Ich hebe nun meinen Kopf und wische mir meine Tränen weg. Ich schaue zu wie John die Knarre entsichert und dann nehme ich nur noch einen Knall wahr...

Nummer 213Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt