Kapitel 22

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Ich vernehme ein Brummen des Motors und wenige Sekunden später hält ein Auto hinter mir. Aus dem steigt Luke.

„Bist du verrückt? Was machst du hier?", schreit er mich an.
„Wonach sieht's denn aus? Lass mich doch einfach in Ruhe. Als ob es dich interessiert was ich hier mache.", sage ich genervt und ziehe eine Pistole aus meinem Rucksack und kehre ihm den Rücken zu. Luke kann mich jetzt nicht von dem aufhalten.

„Vic, bitte. Hör auf das dauernd zu sagen. Es ist nicht so wie es für dich scheint. Ja, anfangs wollte ich dich dafür eintauschen, aber als ich dich besser kennenlernte nicht mehr, ich schwör's", höre ich ihm hinter mir erzählen. Eine Träne kullert mir die Wange herab und ich versuche jetzt stark zu bleiben. Er will mich nämlich schwächen, dass ich den Plan abbreche, aber das werde ich nicht. Hoffentlich.

„Vicky, wieso machst du das? Die werden dich töten. Bitte hör auf. Fahren wir nach Hause und vergessen wir den ganzen Plan. Vergessen wir ihn, komm schon. So wie du es anfangs wolltest. Überlassen wir das der Polizei und fahren wir nach Lancaster zu dem Papillon wie ich es dir versprochen habe. Wir können dort hinfahren und den Regen zuhören. So wie du's mir erzählt hast.", bettelt Luke in weinerlicher Stimme.

Ich kann mich nicht mehr halten und beginne wieder zu weinen. Ich drehe mich zu ihm um. „Glaubst du ich weiß nicht, dass die mich töten werden? Glaubst du ernsthaft, dass ich so dumm bin? Natürlich weiß ich das. Deshalb gehe ich dort hin."

Luke sieht mich ungläubig mit gläsernen Augen an. „Was soll das heißen? Du läufst also mit Absicht ins Messer? Wieso machst du das?"

„Meine Eltern glauben ich wäre tot. Mein Bruder denkt ich wäre tot. Meine ganze Stadt und die Polizisten denken ich wäre tot. Einfach alle denken ich wäre gestorben. Vielleicht wäre es besser, wenn ich wirklich tot wäre. Denn die einzige Person die ich noch hatte, die wusste dass ich lebendig bin, die Person die ich über alles liebe, hat mich enttäuscht. Du hast mich belogen. Monatelang und hattest kein schlechtes Gewissen. Wie sollt ich dir je wieder vertrauen können? Sag mir das Luke, denn ich weiß es nicht. Und vielleicht ist es einfach besser, wenn ich mich für das Gute aufopfere."

Diesmal muss sogar Luke weinen. Ich habe ihn noch nie weinen gesehen. Er greift sich auf die Stirn und fährt sich anschließend durch seine Haare.
„Verdammt Vic, deine Familie liebt dich. Du hast wenigstens noch eine Familie. Ich hab gar keinen mehr. Mein Vater weiß nicht mal, dass ich weg bin. Es weiß einfach keiner dass ich weg bin. Es interessiert einfach keinen. Hör zu, ich weiß, ich hab Scheiße gebaut. Ich weiß es verdammt nochmal. Aber bleib bei mir. Du bist die einzige die ich noch habe. Die einzige die mir etwas bedeutet. Und wenn du gehst, bin ich gezwungen mitzugehen, denn ich könnte es mir einfach nie verzeihen, dass du das wegen mir gemacht hast. Weil ich so unglaublich dumm war und dir das verschwiegen habe. Ich bereue es so sehr. Ich bereue es, dich so zu sehen und zu wissen, dass ich der Grund dafür bin. Ich weiß ich habe dich belogen, doch bei meinen Gefühlen zu dir, habe ich nie gelogen."

Tränen laufen mir die Wangen herunter und ich muss schniefen. „Wie soll ich dir das je glauben? Ich kann nicht. Ich kann das einfach nicht. Wie soll ich dir glauben, dass das was du sagst der Wahrheit entspricht?", schreie ich ihn an.

Ich drehe mich kurz um und sehe wie hinter mir ein Licht angeht. Wir befinden uns nur wenige Meter entfernt, doch noch immer zu nah. Ich beobachte wie ein Mann aus der Tür rennt. Auf uns zu. Er hat eine Waffe in der Hand und zielt auf uns. Ich nehme wahr wie er die Waffe entsichert und abdrückt. Wieso bewege ich mich immer noch nicht?

„Vic, pass auf!", schreit Luke und wirft sich vor mich. Die Kugel trifft Luke direkt im Oberschenkel. Erst als das Blut sich unter uns ausbreitet bemerke ich was gerade passiert ist. Ich knie mich zu ihm runter und gebe ihm die Hand. Ich weine „Komm Luke, gehen wir schnell zum Auto, komm schnell!"

Er kneift sich die Augen zusammen und presst seine andere Hand auf die Wunde. Luke stöhnt „Nimm die Autoschlüssel und gib mir die Waffen. Fahr Richtung Norden, dort wirst du an einer Tankstelle ankommen und ruf die Polizei."

„Luke, ich kann dich nicht allein lassen, komm mit mir mit! Bitte Luke, ich lass dich nicht - "

„Verdammt Vicky, ich kann nicht mit, jetzt lauf schnell, es bleibt dir nur noch wenig Zeit." Ich muss mich überwinden ihm die Waffen zu geben und die Autoschlüssel anzunehmen. Noch schwerer fällt es mir seine Hand loszulassen, doch ich muss.

Ich laufe mit den Schlüsseln in der Hand zum Auto und höre wie Luke hinter mir noch schreit „Ich verspreche dir, wir werden uns wieder sehen. Victoria Peers, ich liebe dich."

Ich liebe dich auch. Ich steige schnell in den Wagen ein und starte den Motor. Ich gebe Gas und fahre so schnell ich kann. Einer der Wächter schießt mir unglücklicherweise in die Hinterscheibe, doch das kümmert mich nicht. Ich fahre einfach Richtung Norden wie es mir Luke geraten hat.

Nummer 213Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt