Kapitel 2

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Ich sitze im Gemeinschaftsraum und starre stumm aus dem Fenster vor dem ein Gitter hängt. Alle Fenster sind mit Gitter gesichert, sodass ich mir noch eingesperrter vorkomme als ich es schon bin. Jeden Tag sehe ich die selben Menschen, die selben Wände und habe kein Kontakt zur Außenwelt. Das muss doch einen mit der Zeit verrückt machen. Doch das sind hier eh schon alle. Vielleicht sogar ich selbst. Was wohl meine Familie und meine Freunde dazu sagen würden, wenn sie wissen würden, dass ich noch am Leben bin. Sie werden es auf jeden Fall herausfinden. Die Polizei wird von diesem Ort hier erfahren und dann sind sie dran. Natürlich habe ich in der Zwischenzeit in der die anderen hier Karten spielen oder lieber essen bis sie fett werden, habe ich daran verbracht einen Plan zu schmieden, der mich hierrausbringt. Ich weiß jedoch, dass ich es allein nicht schaffen werde. Ich sehe John auf der anderen Seite des Zimmers. Ich beschließe zu ihm zu gehen um mehr über ihn herauszufinden. Er starrt ebenfalls aus dem Fenster und scheint mich nicht zu bemerken. „John?“ tippe ich ihn auf die Schulter. Er dreht sich um und ist sichtlich überrascht doch im positiven Sinn. Nicht mal jetzt bin ich in der Lage meinen Mund zu einem Lächeln zu formen. „Es tut mir leid, dass ich vor einer Woche so kalt war. Willst du reden?“ Das ist das erste Mal, dass ich mit jemanden so spreche. Nein, das ist das erste Mal dass ich überhaupt mit jemanden in ein Gespräch kommen will. Er zögert kurz und sagt dann in einem sanften Ton „Klar. Setzen wir uns hin, ich werde immer nervös wenn ich stehe.“ Ist das denn richtig was ich hier mache? Einen armen unschuldigen Mann ausnützen nur um meine Haut zu retten? Verdammt, das ist mit Abstand die beste Idee die ich hier hatte. Jetzt muss er nur noch anbeißen. „Wie geht es dir? Du bist ja richtig abgemagert. Seit wann bist du hier?“, löchert er mich mit Fragen. „Seit ungefähr einem halben Jahr. Ich glaube keinem geht es hier wirklich gut. Ich jedenfalls spiele nicht gerne das Versuchskaninchen, du etwa?“ John schüttelt den Kopf und stimmt mir zu „Ich finde es grauenvoll was die Menschen hier machen. Ich kann aber nur hoffen, dass die Polizei irgendwann von diesem Ort erfährt.“ Ich lege den Kopf schief und nicke nur verständnisvoll. „Hör zu John, wir kennen uns nicht, aber du musst mir glauben, ich bin nicht so wie die anderen. Ich bin normal und ich denke du bist das auch. Wenn du reden willst, kannst du gerne mal zu mir kommen.“ Wenn er jetzt ja sagt, dann habe ich ihn. Er überlegt kurz doch dann kommt er zu Wort „Das ist wirklich nett, Samara. Ich rede gerne mit dir.“ Angebissen. Da hat sich der Schauspielkurs ja doch ein bisschen gelohnt, den ich in der High School besucht habe. Wir haben einen strengen Zeitplan im Aufenthaltsraum. Jeder darf am Tag maximal eine Stunde hier verbringen. Meine ist jetzt schon um, deshalb bin ich gezwungen wieder in mein Zimmer oder wie ich es nenne, Zelle zu gehen. Der Raum ist mit einem Bett, einen Kasten und einen kleinen Tisch ausgestattet. Die Wände sind mit einer hässlichen weiß, schon ins graugehenden Tapete bestrichen. Ein Fenster gibt es hier keines und eine Toilette erst am Gang. Ich fühle mich wie im Gefängnis. Als hätte ich etwas Schlimmes getan und würde jetzt lebenslang hier festsitzen. Für mich ist es für alle die hier festgehalten werden schon vorausbestimmt, hier zu sterben. Allein von dieser Vorstellung bekomme ich Gänsehaut. Wieder sitze ich am kalten Holzboden und lehne meinen Kopf gegen die Wand. Ich kann die Umrisse eines Risses in der Tapete entdecken. Es ist an einer Ecke, gleich neben meinem Kasten. Ich krame schnell nach einem Feuerzeug, das ich hier versteckt habe und zum Glück finde ich es auch. Jetzt muss es nur noch funktionieren. Schon sehe ich eine Flamme und habe ein wenig Licht. Ich leuchte mit dem Feuer zu dem Riss hin und sehe etwas. Es sind Zahlen, sie müssen von jemandem eingeritzt worden sein. Eine Nummer mit 13 Ziffern. So wie ein EAN Code. Ich höre plötzlich Stimmen vom Flur. Schreie. Ich verstecke das Feuerzeug und lege mich in mein Bett. Ein Mann kommt in meine Zelle und sagt „Aufstehen 213. Heute ist es wieder soweit.“

Einmal im Monat werden wir wie Versuchskaninchen behandelt. In uns werden Stoffe oder Medikamente hineingespritzt um zu sehen welche Auswirkungen sie auf Menschen haben. Einmal im Monat deswegen, dass man ganz genau beobachten kann wie diese Stoffe auf uns wirken. So ähnlich wie mit Ratten oder den anderen Versuchstieren. Meistens sind Migräne oder Erbrechen die Folge davon, aber es könnte auch etwas Schlimmeres passieren, wie zum Beispiel der Tod. Es ist eigentlich wie monatliches impfen. Es dauert nicht lange und man sollte davor nicht viel essen. Obwohl ich es schon oft genug durchgemacht habe, habe ich Angst. Angst davor, was wohl die Folgen davon sein werden. Vor 2 Monaten, hat das Medikament meine ganzen Erinnerungen ausgelöscht. Ich konnte mich 3 Tage lang an nichts erinnern geschweige denn an meinen Namen. Mit der Zeit kam mein Erinnerungsvermögen zurück und jetzt kann ich mich wieder an alles erinnern. Der Mann nimmt mich beim Arm und geht mit mir auf den Gang. Ich schaue mich am Flur um und erkenne einen Jungen. Ich schätze ihn in meinem Alter. Er ist blond und muskulös. Weitere Details kann ich von solch einer Entfernung nicht feststellen. Von dem mussten wohl die Schreie stammen, die ich vorher gehört hatte. Sein Kopf ist dem Boden zugerichtet und seine Hände sind beide von einem Wächter nach hinten genommen worden. Er wendet mir kurz einen verzweifelten Blick zu. Der Mann zerrt mich an meinen Oberarm um eine Ecke, sodass ich den Jungen aus meinem Blickwinkel verliere. Ich gehe viele Gänge entlang bis ich endlich zu einem großen Raum komme, wo bereits viele andere Menschen in 2 Reihen anstehen. Weiter vorne kann ich 2 Ärzte erkennen, die einem nach dem anderen eine Spritze geben. Ich hasse Spritzen. Nach ein paar Minuten bin ich an der Reihe. Ich habe ehrlich gesagt absolut keine Ahnung gegen was diese Medizin ist und dies sagen sie uns hier auch nicht, was ich echt unter aller Würde finde. Wenn sie uns hier schon als lebende Versuchskaninchen gefangen halten will ich wenigstens auch wissen was sie mir in meinem Körper spritzen. Ein kleiner Piecks zerrt mich aus meinen Gedanken. Ich drücke gegen mein Handgelenk, dass der Schmerz weniger wird und gehe auf die Seite, an der schon viele andere Menschen stehen. Mir wird plötzlich so heiß und schwindelig, dass ich mich hinsetzen muss. Meine Augenlieder fühlen sich so schwer und ich kann meine Beine nicht mehr unter mir spüren.

Im nächsten Moment wache ich auf einem kalten Flur auf. Den Flur kenne ich doch von irgendwo. Ich schaue mich um und kann viele Türen erkennen. Meine alte Schule. Ich stehe auf und gehe den Flur entlang zu meinem Klassenzimmer. Die Tür ist offen und ich kann eine Stimme erkennen. Je näher ich dem Raum zukomme, desto bekannter wird die Stimme. Ich stehe nun direkt vor dem Klassenzimmer und wage einen Schritt hinein. Und ich kann meinen Augen nicht trauen was ich hier zu Gesicht bekomme.

Nummer 213Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt