Kapitel 27

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Im Leben passiert manchmal etwas, was manche Schicksal nennen. Etwas Schönes passiert Leuten und sie meinen es wäre Schicksal. Meine Definition von Schicksal ist, dass jemanden aus etwas Schlechten etwas Gutes wiederfährt. Glück in Unglück nennen es viele auch. Mein Schicksal war es beispielsweise, dass ich in diese Klinik kam und dort mein Glück traf. Ich weiß, ich kenne Luke erst ein paar Monate, aber in diesen Monaten hat er mich so glücklich wie sonst keinem gemacht. Er war derjenige, der meine kalte Mauer, die ich jahrelang um mich herumgebaut hatte, gebrochen hat. Mit nur einem Schlag.

Ich weiß noch, als ich mir gedacht habe wir sollten mehr in dem Moment leben, womit ich auch völlig recht hatte, doch was ist, wenn man diesen Moment nicht aushaltet? Wenn dieser Moment so schrecklich ist, dass er einen nur kaputt macht. Ich denke, deshalb haben wir uns angewohnt vorauszudenken. Wir wurden schon als kleine Kinder dazu regelrecht erzogen vorauszudenken. „In ein paar Tagen ist der Schmerz längst vergessen." Die Worte meiner Mutter, als ich mir mit 8 Jahren die Knie aufgeschürft hatte. Ich schenkte ihr damals meinen Glauben.

Wenn heute das gleiche zu mir sagen würde, würde ich ihm nicht trauen. Wir können Schmerz nicht vergessen. Wie schon in John Greens Buch stand: Schmerz verlangt gespürt zu werden.

Wir können Schmerz nicht einfach runterschlucken und auf die leichte Schulter nehmen. Denn wenn wir das tun, dann kommt irgendwann alles hoch und man verfällt in eine Art Teufelskreis aus dem man nicht mehr so leicht wieder rauskommt. Meine Schuldgefühle gegenüber Luke verstummen nicht und das akzeptiere ich auch. Mir wird auch langsam klar, dass er mich wirklich liebte. Er hätte mich nicht aufgegeben. Nein, ganz im Gegenteil. Er hätte um mich gekämpft und hätt sich regelrecht geopfert. Ich wünsche nur, dass er das nicht hätte machen müssen. Ich denke, dass der Schmerz schlimmer ist, als der Tod.

Ich weiß zwar nicht wo er sich gerade aufhält, aber bei einem bin ich mir sicher: er lebt. Ich kann es nicht beweisen und werde es vielleicht auch nie herausfinden, doch ich hoffe ich werde ihn eines Tages wieder sehen. Wenn auch nicht lebendig.

Wie in Das Leben ist unberechenbar, war auch mein Leben irgendwie unberechenbar. Das schmerzhafteste ist diese Ungewissheit. Nicht wissen zu können wie es ihm geht und wo er sich gerade aufhält. Ob er geflohen ist, oder ob ihn jemand gefangen genommen hat. All diese Fragen bleiben mir noch unbeantwortet, aber wenn ich eines weiß, ist es das: Das ist erst der Anfang.

Nummer 213Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt