02. April 1821 Harwich
"Verträge sind zum vertragen da."
Jack Calico
"So langsam glaube ich, du hast Aggressionsprobleme!" Kopfschüttelnd biss Ben von seinem Apfel ab und kaute wütend darauf herum. "Du verprügelst unseren Segelmacher und schmeißt ihn aus der Besatzung raus? Wir haben kaum noch Segel, die noch nicht in Flammen aufgegangen sind, Jack!"
Angesprochener fuhr mit seinen Fingerspitzen über seine Kopfhaut und versuchte weiter, Bens penetrante Stimme zu ignorieren. Seit gestern Abend plagten ihn Kopfschmerzen, die von innen gegen seine Schläfen hämmerten. Selbst dass Pearl seit einer halben Stunde hinter ihm auf dem ausladenden Himmelbett kniete, in dem er mit ihr den Rest der Nacht verbracht hatte und ihm Schultern und Nacken massierte, half nicht. Er hatte den widerlichen Tee im Verdacht Ursprung allen Übels zu sein. Oder der missratene Abschluss des gestrigen Abends. Oder die blaugrauen Augen des Mädchens, die ihn so aufgewühlt und machtvoll angesehen hatten, als würde er das stürmische, wilde Meer betrachten.
Ben schien nicht mitzubekommen, wie abgelenkt er war, sondern fuhr schimpfend damit fort in dem Zimmer des Bordells auf und ab zu laufen. Seine schlammigen Stiefel hinterließen schmutzige Abdrücke auf dem dunkelroten Teppich. "Angenommen wir finden hier niemanden, wir kommen hier nie wieder weg! Du, ich und Jonah, wir müssen das Biest steuern, bleiben uns noch zwanzig Mann. Die werden es nicht schaffen zu rudern, verflucht!"
"Wir werden Männer finden!" Seine Stimme klang müde in seinen eigenen Ohren. Dann sah er auf. "Und ich bin verflucht nochmal nicht derjenige von uns beiden, der an seiner Contenance arbeiten muss, klar?", presste er durch zusammengebissene Zähne hervor.
Ben sah ihn ungläubig an.
"Ach, klar." Ein paar halb zerkaute Apfelstückchen flogen aus dessen Mund in seine Richtung, verteilten sich auf den schweren Vorhängen aus dunkelrotem Samt . "Es sei denn Sully erzählt überall rum, dass du ein größenwahnsinniger, risikobereiter, viel zu strenger Bastard bist, der Männer wie Kanonenfutter verheizt, um seine eigenen Schatzkammern zu füllen."Die Stille, die im Zimmer entstand, wurde nur durch Pearls liebevolle Stimme unterbrochen, die eine friedliche Melodie summte, während sie weiter Jacks Rücken massierte, als würde kein Detail ihrer Unterhaltung zu ihr durchdringen. Jack bewunderte für den Bruchteil einer Sekunde ihre Professionalität. Die friedlichen Geräusche eines erwachenden Bordells drangen zu ihnen hinein. Das Kichern der Mädchen, die sich für den neuen Tag zurecht machten. Wasser, das erhitzt wurde. Getränkelieferungen, die eintrafen. Putz- und Waschfrauen, die verdächtige Flecken aus Kleidung und Möbeln entfernten.
Er beobachtete, wie Ben sich unter seinem Blick wand. Sein Adamsapfel zuckte. Es gelang ihm, seinen Zorn niederzudrücken und diesen in Berechnung umzuwandeln.
"Gut!", sprach er dann. Eine leise Drohung lag in seinen Worten. "Es haben sich Männer schon für weniger einer Sache verpflichtet."
Ben warf aufgebracht die Hände in die Luft, doch Jack unterbrach ihn.
DU LIEST GERADE
Dust and Water
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1801, als in England die junge Anne Bonny als uneheliche Tochter eines Richters das Licht der Welt erblickt. Verstoßen und geächtet von der Stadtgemeinde, flieht sie als sie älter wird und lernt auf ihrer Reise Jack Calico ken...