Von Feiglingen und Lügengeschichten

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15. Oktober 1821
Indischer Ozean 

„Geheimnisse sind die Kontrahenten des Vertrauens."
~ Erhard Blanck

"~ Erhard Blanck

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Anne Bonny

Die Stufen knarzten, während sie die Treppe wieder nach oben stieg, die in die Bilge führte.
Dabei musste sie darauf achten nicht zu stürzen, als ein Schwindelanfall von ihr Besitz ergriff.

Zu lange war die Searose auf dem Meer ausgeharrt. Der Wind hatte gefehlt.
Die Vorräte neigten sich dem Ende zu, das Trinkwasser schmeckte brackig. Ungeziefer mehrte sich in den Lebensmitteln, die noch vorhanden waren und nur noch ein Huhn flatterte jeden Abend durch den Lagerraum, wenn Anne es aus einem Käfig entließ.
Bis heute. Es schmerzte sie zu wissen, dass Henriette, so hatte sie die Henne getauft, an diesem Abend das Zeitliche segnen würde. Genau jetzt, während sie in der Bilge ihre Arbeit verrichtet hatte. Sie hatte Samuel darum gebeten, es Mr. Custerly dann tun zu lassen, wenn sie nicht dabei war.
Wer hätte geglaubt, dass der Shipdoctor und seine Erfahrungen eines Metzgerdaseins doch noch wirklich zu etwas gut sein würden. 

Die wenig üppigen Mahlzeiten führten dazu, dass Annes Kreislauf immer häufiger verrückt spielte und es den meisten Männern auch nicht besonders gut erging. Sie alle waren entkräftet. Und müde, obwohl sie ausreichend Schlaf fanden.

Doch mittlerweile war Besserung in Sicht, denn der Wind hatte sich gedreht und war zurückgekehrt, trieb sie weiter Richtung Indien. Endlich.

Nicht mehr lange und sie würden in den Hafen von Bombay einlaufen. Dort blieb Zeit, um neue Kraft zu tanken und die Vorräte wieder aufzufüllen.

Anne hätte sich darüber genauso freuen sollen, wie es die anderen taten, doch sie konnte nicht.
Etwas anderes als der nagende Hunger ließ sie des Nachts nicht zur Ruhe finden.
Es waren auch nicht die Treffen mit Jack, die seit zwei Wochen nicht mehr stattfanden.

Sobald sie die Kombüse betrat, schwebte ihr der Geruch von gekochtem Hühnerfleisch entgegen. Ihr wurde schlecht. Sie atmete durch den Mund, die Übelkeit blieb dennoch.
Und als Winston sich ihr auch noch gegenüberstellte und ihr einen Teller mit den Überresten von Henriette entgegenhielt, war es gänzlich vorüber.
Sie stieß ihren Freund gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor sie sich übergab. Ihr Erbrochenes erwischte dennoch seine Schuhe. Und ihre eigene Kleidung.
Verflucht ... es stank furchtbar säuerlich.

Winston schien sich an der heißen Suppe auf seinen Stiefeln allerdings keinen Deut zu stören.
„Heilige Scheiße, Parker!", rief er aus. „Wirst doch nicht etwa krank? Verdammter Mist, Blackwood hatte uns davor gewarnt. Seine ewigen Reden über den Skorbut ..."

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