Bombay

131 21 18
                                    

21. Oktober 1821
Bombay

„Wir haben das körperliche Indien gesucht und haben Amerika gefunden; wir suchen jetzt das geistige Indien – was werden wir finden?" - Heinrich Heine

„Wir haben das körperliche Indien gesucht und haben Amerika gefunden; wir suchen jetzt das geistige Indien – was werden wir finden?" - Heinrich Heine

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Calico Jack

Das Erste, was ihm entgegenschlug, als er das erste Mal seinen Fuß auf indisches Festland setzte, war der Gestank. Es handelte sich um eine Mischung aus in der Sonne gärenden Exkrementen, Schweiß und Tieren, die sich in einer absurden Komposition mit dem Duft von Gewürzen, exotischem Räucherwerk und Blüten vereinte.  

Das Zweite, was ihm den Atem raubte, waren die Farben. Nach endlosen Monaten auf See waren seine Augen an das endlose Blau des Tages oder die tiefe Schwärze der Nacht gewöhnt, sowie an den Anblick einiger abgeranzter Männer. Doch was sich nun vor seinen Augen auftat, war ein pures Farbenspiel. Die Kleidung der Menschen glich einem reinsten Regenbogen und selbst die schmuddelige tiefgrüne Weste eines einfachen Hafenarbeiters strahlte im grellen Licht der Sonne durch ihre auffälligen Verzierungen. Die Frauen, die auf der Straße vor ihnen von hier nach dort eilten, trugen allesamt farbenfrohe Saris, die ihnen locker über die Schulter gebunden bis zum Boden fielen. Einige Männer trugen bunte Turbane, andere einen roten Punkt zwischen den Augenbrauen und eine ältere Dame schmückte sich mit so wertvoll anmutendem Zierrat, dass es Jack in den Fingern juckte, sie um wenigstens einen ihrer goldenen Ohrringe zu erleichtern. Vor ihnen schlenderte soeben eine verträumte Kuh mitsamt eines über und über mit weißgelben Blüten beladenen Karrens über die Straße, die einen betörenden Duft verströmten. Jack griff unauffällig nach einer von ihnen und drehte sie zwischen den Fingern, während er der seltsamen Prozession nachsah.

Das Dritte, was sich wie eine summende Symphonie auf seine Sinne legte, waren die Geräusche, die nichts mehr mit dem einsamen Wind und den Wellen auf See, dem Knattern der Segel oder den heiseren, ausgezehrten Stimmen der Männer gemeinsam hatten. Oder dem lustvollen Stöhnen Anne Bonnys unter seinen Händen. Er musste tief durchatmen. Dankbar für eine Ablenkung richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Unterhaltung seiner Freunde.

"Also mir gefällt das ganz und gar nicht", hörte er Bens Stimme in seinem Rücken. "Nicht nur, dass diese Stadt offensichtlich in fester Hand der Marine ist. Jetzt haben wir auch noch einen Ankerplatz so weit draußen ergattert, dass es eine halbe Stunde dauert, um mit einem voll beladenen Beiboot hin und wieder zurückzurudern." Er fluchte.

"Aye", antwortete Jonah. "Allerdings hätten wir noch schlechtere Karten in dem Haupthafen gehabt. Es scheint, als wäre zumindest dieser Rat der spanischen Zwillinge hilfreich gewesen. Wir sind am richtigen Fleck. An einem älteren Ort, als dem wo Sand aufgeschüttet wird, um neues Land zu gewinnen."

Jack wandte sich zu beiden um. "Aye. Der Hafenmeister hat sich sein Schweigen teuer bezahlen lassen. Lasst uns diese Frau suchen und dann verschwinden." In diesem Moment fiel sein Blick auf Samuel Cherleton, der mitsamt zweier Matrosen die Stufen hinauf zur Hauptstraße gelangte. Er beobachtete, wie jener sich sogleich in Richtung des Marktplatzes durchzufragen schien. Offenbar war inzwischen ihr zweites Dinghy angekommen.

Dust and Water Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt