04. August 1821
Kap Verde„Liebeskummer tut weh – besonders wenn er den Verstand raubt."
~ Klaus EnderCalico Jack
Jack ergriff Jonahs starken Unterarm und zog sich daran aus dem Beiboot über das Schanzenkleid der Searose, ehe er sicheren Fußes auf den Planken des Decks landete. Der Blick seines Freundes lag unbestimmt auf ihm, hätte alles oder auch Nichts aussagen können. Jonah hatte seine alte Maske wieder aufgesetzt. Vor ihm.
Seine Männer klopften ihm anerkennend auf die Schultern, als sie die Stoßzähne und die kleine Lade mit dem Elfenbeinschmuck aus dem Dinghy bargen, mit dem sie sie von dem kleinen Eiland abgeholt hatten. Grayson war still gewesen. Kein einziges Mal hatten sich ihre Blicke gekreuzt.
Er unterdrückte das Verlangen, sich nach dem Jungen umzusehen, ließ sich von seiner Mannschaft feiern und erzählte von dem Rätsel, das es zu lösen gegolten hatte: Einem steinernen Turm ohne sichtbare Pforte und einem heiligen Ort der Toten in seinem Inneren. Gebannt folgten die Männer einem jeden seiner Worte, grölten vergnügt, als Grayson Parker das Tidebecken mitsamt des Tunnels entdeckte. Doch der Junge war bereits nirgends mehr an Deck zu finden, um ihm zu seiner Entdeckung zu gratulieren.
Er hatte den Männern kaum gestattet zur Feier des Anlasses ein Fass des indischen Rums zu öffnen, als Ben ihm vertrauensvoll die Hand auf die Schulter legte. Jack folgte seinem Blick. Jonah stand mit verschränkten Armen vor seiner Kajüte. Durch die offene Tür drang goldenes Licht und vermischte sich auf den hölzernen Planken mit dem verwaschenen Grau des nahenden Morgens.
Ein ungutes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, doch er rang es nieder und folgte seinem ungewohnt schweigsamen Maat an einen ungestörten Ort.
Jonah schloss die Tür hinter ihm und Jack blickte verwundert auf das randvolle Glas mit Whisky, das Ben ihm in die Hand drückte, sobald er über die Schwelle getreten war."Was soll das werden?", fragte er.
Jonah deutete auf einen Stuhl, ehe er sich mit dem Rücken gegen den imposanten Schreibtisch lehnte.
"Setz dich, Käpt'n."Jack nahm einen Schluck von seinem Getränk und erst als Ben ihm aufmunternd zunickte, setzte er sich in Bewegung, um Jonahs Bitte nachzukommen. Der Steuermann hielt ihm eine fertig gedrehte Zigarette entgegen. Als Jack sie zwischen seine Lippen steckte, bot er ihm sogar ein brennendes Streichholz an. Jack war nahe dran, ihm jenes aus der Hand zu schlagen, doch es gelang ihm ruhig zu bleiben. Selbst als Ben sich an Jonahs Seite gesellte und beide mit verschränkten Armen auf ihn hinunterblickten, schaffte er es, äußerlich die Fassung zu wahren. Ihr vorwurfsvoller Fokus richtete sich geballt auf ihn. Er lehnte sich zurück. Sein Herz raste wild in seiner Brust.
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Dust and Water
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1801, als in England die junge Anne Bonny als uneheliche Tochter eines Richters das Licht der Welt erblickt. Verstoßen und geächtet von der Stadtgemeinde, flieht sie als sie älter wird und lernt auf ihrer Reise Jack Calico ken...