03. April 1821
Harwich„Veränderung ist Mut zum Leben!"
~ Katharina Englert-MorellAnne Bonny
Das helle Orange des Himmels spiegelte sich auf den weichen Wellen wider, die stetig gegen den hölzernen Steg schwappten.
Anne stand dort, die Hände in den Taschen ihrer löchrigen Jacke versteckt und starrte der Searose entgegen, die nur wenige Meter weiter ankerte.Tief atmete sie durch, ehe sie sich die schmuddelige, braune Kappe vom Kopf zog und sich durch das ungewohnt kurze Haar fuhr.
Diamond hatte kaum etwas von ihrer schwarzen Lockenpracht übrig gelassen und mit der neuen Kleidung, die durch die vielen dunklen Flecken an die eines Kaminarbeiters erinnerte, war auch der Rest von Anne Bonny verschwunden.
Hemd und Hose waren zwar ein wenig zu groß geraten, doch das perfektionierte das Bild ihrer neuen Persönlichkeit nur, welches sie sich in Gedanken zurechtgeformt hatte.Grayson Parker, Sohn einer armen Bäckersfamilie, der das Alter von sechzehn Jahren zählte und auf der Suche nach einer Arbeit war, die außerhalb von Harwich lag und ihm mehr als nur wenige Schilling einbrachte.
Sie würde ihr Glück versuchen und als Küchenjunge anheuern. Immerhin hatte sie ihren Vater jahrelang bekocht und wusste daher, dass sie sich in diesem Bereich gar nicht so schlecht anstellte. Sie konnte mit dem Messer umgehen und hatte Erfahrung darin, wie man Suppen und Eintöpfe richtig würzen musste.
Samuel hatte sie in den frühen Morgenstunden einen Brief in ihrem gemeinsamen Zimmer hinterlassen. Mittels diesem hatte sie ihn darüber aufgeklärt, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte und dass sie auf dem Weg war, um einen Arbeitsposten zu finden. Keine Lüge, wenn man es genau betrachtete.
Wie bereits erwartet, war sein Schlaf dank des Umtrunks mit der neuen Crew so tief gewesen, dass er es weder mitbekommen hatte als sie zurückkehrt war, noch als sie das Gasthaus erneut verlassen hatte.
Zum Glück, da sie nicht unbedingt erpicht darauf gewesen war, ihm mit ihrem neuen Aussehen gegenüberzutreten. Dann hätte sie sich doch eine erfundene Geschichte aus der Nase ziehen müssen, denn er hätte es wohl kaum zugelassen, dass sie ihm nachgefeiert und ebenfalls auf der Searose angeheuert hätte.Anne wandte sich vom Meer ab und lief den Pier entlang.
Mittlerweile kannte sie den Weg zum Lévres Rouge gut genug, um ihn allein zu finden.Um diese Tageszeit sah das Bordell von außen so friedlich aus. Keine einzige betrunkene Gestalt lungerte vor dem Gebäude herum und auch die Huren verbrachten die Morgende zurückgezogen in ihren Zimmern.
Das Licht der Sonne fiel durch die leicht vergilbten Fenster und erleuchtete das weinfarbene Rot der Vorhänge, die einen tieferen Blick ins Innere verhinderten.
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Dust and Water
Historical FictionWir schreiben das Jahr 1801, als in England die junge Anne Bonny als uneheliche Tochter eines Richters das Licht der Welt erblickt. Verstoßen und geächtet von der Stadtgemeinde, flieht sie als sie älter wird und lernt auf ihrer Reise Jack Calico ken...