Ein Funke an Gerechtigkeit

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30. Oktober 1821
Ratnagiri

„Was nach Rache flüstert, kann sich gefährlicher entwickeln, als was nach Rache schreit."
~ Martin Gerhard Reisenberg

"~ Martin Gerhard Reisenberg

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Anne Bonny

Die Sonne bahnte sich ihren Weg den Himmel empor und erhellte die blutverschmierten Gesichter der Männer, die im Innenhof knieten.
Manche von ihnen hatten die Augen geschlossen, wollten ihrem Schicksal nicht entgegensehen. Andere beteten und wieder andere verfolgten die Piraten mit erbosten Blicken.

In den Ausgängen standen die Mädchen und Jungen des Bordells und beäugten die makaberere Szenerie mit gespalteten Gefühlen. Den einen konnte man die Freude über den Funken an Gerechtigkeit ansehen, aber es gab auch einige unter ihnen, deren Züge von Angst und Unsicherheit geprägt waren. Womöglich machten sie sich Sorgen darum, wie es für sie weitergehen würde, wenn das Freudenhaus erst einmal in Schutt und Asche lag.
Annes Haut überzog eine Gänsehaut bei dem Gedanken daran, dass viele von ihnen wahrscheinlich gar kein anderes Leben kannten. Ein Leben, das nicht länger aus Schmerz, Furcht und Demütigung bestand, sondern aus Zufriedenheit, Liebe und Euphorie.

Jack schob sich zwischen seinen Männern hindurch und studierte für einige Sekunden die Antlitze der Männer, deren Tyrannei ein Ende gefunden hatte.

Langsam trat Anne an ihn heran. „Wenn du erlaubst, dann würde ich gerne entscheiden, was mit ihnen geschehend wird", flüsterte sie ihm ins Ohr. So leise, dass kein Mitglied der Searose sie hören konnte. Immerhin hatte sie Jack versprochen, seine Autorität niemals wieder in aller Öffentlichkeit zu untergraben.

Ohne den Blick von den knienden Männern abzuwenden, nickte er. Einmal. Es war eine kaum wahrnehmbare Bewegung.

Ein zufriedenes Lächeln formte sich auf Annes Lippen, ehe sie sich zu den neugierigen Huren des Hauses begab. Ein Paar von ihnen duckten sich weg, wollten schon wieder nach drinnen verschwinden, doch Anne hob die Hände. Ein Zeichen, dass sie ihnen nichts tun würde. „Wollt ihr Rache an denen nehmen, die euch jahrelang geschändet haben?", fragte sie die Truppe, bestehend aus etwa zwanzig Frauen und sechs jungen Männern, mit fester Stimme.

Unsicherheit schlug ihr entgegen. Es dauerte, bis sich schließlich einer von ihnen vorwagte. Jaspal. Er stellte sich an Annes Seite, drehte sich zu seinen Kameraden um und wechselte mit ihnen Worte auf seiner Sprache, die Anne nicht verstand.
Doch nach und nach wichen die Zweifel aus den Augen der anderen. Stattdessen schlich sich Entschlossenheit in ihnen ein. Manche nickten, andere ballten in stiller Zustimmung die Hände zu Fäusten.

„Deine Männer sollen sie ausziehen. Sie sollen nackt über den Innenhof kriechen", meinte Jaspal schließlich kalt.

Anne sah zu Jack hinüber, um zu sehen, ob er es doch noch rückgängig machen wollte, ihr das Kommando zu überlassen, denn sie wussten beide, dass sie zu keiner Sekunde zimperlich mit den Peinigern der Jungen und Mädchen umgehen würde.

Dust and Water Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt