03. Mai 1821
Irgendwo auf dem Ozean„Ein schöner Rückzug ist ebensoviel wert, als ein kühner Angriff."
~ Baltasar Gracián y MoralesJack Calico
"Segel in Sicht!"
Jack beobachtete seit zwei Stunden den sich zusehends verdunkelnden westlichen Horizont, als der Ruf des Toppgasten über das Deck schallte. Von einer dunklen Vorahnung erfüllt, wandte er sich seine Aufmerksamkeit in die gewiesene Richtung achternaus und griff nach einem der Fernrohre am Steuer.
Ein Zweimaster näherte sich am Horizont und als er die englische Flagge am Mast wehen sah, fuhr ihm beinahe ein Schreck in die Glieder. Beinahe.
"Was zum Henker, Käpt'n?"
Bens Stimme ließ ihn das Fernrohr an seinen angestrengt blinzelnden Maat weiter geben, damit auch dieser sich einen Überblick verschaffen konnte und er stützte sich nachdenklich mit seinen Unterarmen auf der Reling ab.
Ben ließ irritiert das Fernrohr sinken und senkte die Stimme, als er Jacks Blick gewahr wurde.
"Was versuchen die da? Die sind viel kleiner als wir und verfolgen uns trotzdem. Soll das ein Witz sein?"Jack zwirbelte die Enden seines Halstuchs zwischen seinen Fingern.
"Vielleicht bleibt ihnen keine Wahl und wenn herauskommt, dass sie uns haben ziehen lassen, stehen sie alle vor einer unehrenhaften Entlassung. Womöglich befindet sich irgendein Würdenträger der Marine an Bord, der die Jagd auf uns befielt. Wir sind berüchtigt, daher versuchen sie es", überlegte er leise.
"Wenn sie nicht eine unendlich tragische Überraschung an Bord haben, haben sie keine Chance", schüttelte Ben den Kopf.
"Aye... Aber das wissen die neuen Männer nicht."
"Wollen wir es darauf ankommen lassen?", fragte sein Maat weiter. "Ich glaube, dass der ein oder andere Bootsmann sich bereit für einen kleinen Kampf fühlen würde, Käpt'n. Auch wenn wir sicherlich mit Verlusten rechnen müssten."
"Nein! So weit sind wir noch nicht. Wir haben noch kaum jemanden, der mit den Entermessern und Netzen so sicher ist, dass es etwas anderes als ein Selbstmordkommando wäre. Außerdem würde uns ein sinkendes Schiff bei Sturm mit sich in die Tiefe reißen, wenn wir uns zum Plündern miteinander vertäuen. Aber wir können die Bedrohung benutzen..." Er ließ seinen Satz unvollendet. Ein starker Windstoß zerrte an seiner Kleidung und trug seine Worte hinaus auf die offene See zwischen ihnen und dem feindlichen Schiff. Ein Vorbote des nahenden Sturms.
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Dust and Water
Fiction HistoriqueWir schreiben das Jahr 1801, als in England die junge Anne Bonny als uneheliche Tochter eines Richters das Licht der Welt erblickt. Verstoßen und geächtet von der Stadtgemeinde, flieht sie als sie älter wird und lernt auf ihrer Reise Jack Calico ken...