Kapitel 35

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Seit Tagen war ich damit beschäftigt, die Reise in die Türkei zu planen. Die Beerdigung von Alevs und Merves Vater wird dort stattfinden. Sie sind an dem Abend durch einen Autounfall ums Leben gekommen. In dieser Nacht schlief Merve nach langer Zeit wieder in meinen Armen ein. Seit zwei Jahre berührte ich sie nicht mehr, was mir auch einen Schmerz verursachte, aber ich konnte es einfach nicht mehr. Nach all dem was passiert ist, konnte ich keine Frau mehr berühren. Auch wenn es mir schwer fiel, sie in meinen Armen zu halten, wusste ich, dass ich dazu verpflichtet war, bei ihr zu sein. Sie weinte ununterbrochen. Es fügte mir seelische Schmerzen zu. Nicht aus Liebe, sondern aus Mitleid und Wut. Auf die Welt, aber auch auf mich selbst. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie sich Alev jetzt gefühlt hätte, wäre sie noch am Leben. Sie wäre am Ende. Bei der Gedanke, bekam ich eine Gänsehaut. Wie gern ich sie jetzt bei mir hätte. Sie in meinen Armen halten könnte, über ihre weiche Wange streicheln könnte, ihren Duft einatmen könnte und in ihre Augen schauend sagen könnte, dass ich sie liebe. Besonders ihre braune Augen fehlten mir. Auch wenn Merve dieselbe Augenfarbe hatte, war es nicht dasselber. Trotz stellte ich mir, dass Alev mich anschaute, anstatt Merve. Es verringerte etwas meinen Schmerz. Als ich an die Blicke auf meiner Hochzeit erinnerte, starb meine Seele jede Sekunde. Diese Wut, Enttäuschung und Trauer konnte man aus ihren Augen damals ablesen. Und ich fühlte mich genauso. Es fiel mir so schwer es nicht anmerken zu lassen. Besonders als ich sie Arm hatte vor dem Schulhof. Als ich sah, wie zerbrochen sie war und mich mit ihren feuchten braunen Augen anschauten, konnte ich meinen Drang nicht verbergen und nahm sie einfach in ihre Arme. Ich wünschte in diesem Moment, ich würde sie niemals loslassen müssen. Kurz schloss ich die Augen und dachte daran.

''Ich liebe dich, Alev'', flüsterte ich leise.

Ich schloss wieder meine Augen auf und blickte hoch in den Himmel. Ich atmete tief ein und wusste, dass sie jetzt genau wusste, warum ich ihr all das getan hatte. Sie in eine Ecke gezerrt habe und gesagt habe, dass sie das Kind abtreiben soll. Sofort zitterte mein Körper bei der Erinnerung. Es war unglaublich schwer, es über meinen Lippen zu bringen. Sie so zu behandeln war wie, als ob ich meine eigene Seele aus dem Leib prügelte. Oder als sie mich an dem Abend mit der Blondine gesehen hatte. Ich hatte sie an dem Tag mit Pinar verfolgt und bewusst bin ich über den Weg gelaufen. Ich wollte einfach, dass sie wegen unsere Trennung mich hasste, sodass sie keine Schmerzen ertragen musste. Ich wusste, dass Alev ein starkes Mädchen war und sich nichts an tuen würde. So schwach wie Merve war sie nicht.

''Entschuldigen Sie mich.'',brach eine Stimme mich in die Realität wieder zurück.

Ich drehte mich um.

''Sie haben Ihre Tickets vergessen'',sagte die kleine Frau, bei der ich gerade die Tickets abkaufte.

''Oh'',sagte ich leise und nahm es in die Hand. ''Dankeschön''

Sie Frau lächelte und ging wieder rein. Ich atmete wieder tief ein und schaute die Tickets an. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass sie verstorben sind. Wie sich Alevs Mutter gerade fühlte? Erst verlor sie ihre kleinste Tochter und jetzt ihren Mann. Wie ungerecht es war? Und ich hatte auch Schuld daran. Mein schlechtes Gewissen machte mich jeden Tag schon kaputt und jetzt, dass sie ihren Mann verloren hatte, ließ mich noch mehr schlechter werden, als ich schon war. Ich ging einmal über mein Gesicht und seufzte. Wie sollte ich mit dem Qual noch weiter leben können? Am liebsten würde jetzt eine Waffe nehmen und mich selbst erschießen. Mein neues Handy fing an in meiner Hosentasche zu vibrieren. Ich atmete laut und steckte es raus.

''Hallo Mama'',sagte ich.

''Mein Sohn. Hast du schon die Tickets? Alle warten schon auf dich.'',raunte sie.

''Ich bin gleich da'',erwiderte ich und drückte auf den roten Knopf.

Ich stieg ins Auto und fuhr mit Leere zur Merves Haus. Angekommen fluchte ich, als ich keinen Parkplatz fand. Überall standen Autos, was mich an meinen Schmerz noch mehr erinnern ließ. Ich parkte einfach auf eine Seite, wo man überhaupt nicht parken konnte. Aber es war mir sowas von egal. Mit Wut und Trauer stieg ich aus und erinnerte mich an dem Tag, wo ich erfahren habe, dass Merve die Cousine von Alev war. Was mein Leben komplett zerstört hatte. Ich schloss wieder die Augen und atmete tief die Luft ein. Ich ging weiter und klopfte ungewollt die Tür. Ein junges Mädchen machte die Tür auf und lächelte zur Begrüßung. Ich war gar nicht danach und ging an ihr vorbei.

Ein Leben Ohne IhnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt