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Harry

„Fahr hin!" War Mitchs Aussage, als ich ihm von dem mittgehörten Gespräch in dem Café erzählte. „Das ist deine Chance, also lass sie nicht an dir vorüberziehen.", meinte er und klopfte mir aufmunternd auf den Rücken. Noch bevor die erste Show in Inglewood begann, hatte ich bereits meinen Flug bebucht und einen Wagen gemietet. Es stand fest, ich würde zu den Outer Banks fahren und sie finden. Ich würde ihr alles sagen, was mir auf der Seele brannte. Nichts bedeutete mir mehr als sie. Auch nach all der Zeit. Diese fünf Monate kamen mir vor wie Jahre und ich war bestimmt nicht der einfachste Mensch in dieser Zeit. Doch Mitch hatte recht, wenn nicht JETZT, wann dann! „Los, beweg deinen Hintern. Die Show geht los!", rief er mir noch zu und rannte zur Bühne.

„Pass auf dich auf und halt dich von gutbesuchten Plätzen fern! Verstanden?", gab mir Jeff zu verstehen, als er mich mit Hank in den Sicherheitsbereich vom Flughafen begleitete. „Ja natürlich. Ich reise nicht für die Sehenswürdigkeiten dahin.", reagierte ich etwas gereizt. Ich war nervös und hatte ehrlichgesagt auch etwas Schiss. Keine Ahnung, warum es mich so fertig machte. „Nun atme tief durch. Es wird schon alles gut gehen.", brummte die Stimme von Hank hinter mit. Ich nickte zögerlich, schnappte meine Tasche und lief zum Check In. „Bring Maddie wieder mit!", hörte ich noch Jeff rufen. Ohne mich umzudrehen, hob ich den Daumen hoch. Wenn es gut ginge, würde sie vielleicht wieder nach Hause kommen. In unser zu Hause.

Auf dem Flug nach North Carolina wurde meine Nervosität nicht besser. Die Unruhe wuchs. In meinen Kopf folgten wieder unendliche Szenarien wie unser Aufeinandertreffen verlaufen würde. Diese Frau brachte mich auch ohne ihre direkte Anwesenheit um den Verstand. Doch nichts würde ich jetzt lieber tun, als sie fest in meinen Arm zu schließen und nie mehr loszulassen. Ihre Wärme zu spüren, ihre Haut zu fühlen und ihre Stimme zu hören, wie sie meinen Namen sagte. „Sir. Ich brauche Ihre Buchungsnummer für den Wagen?", drang die freundliche Stimme des älteren Mannes hinter dem Schalter an mein Ohr. „Verzeihen sie mir, natürlich!", entschuldigte ich mich bei ihm und reichte ihm den Buchungsnachweis. Kurz drauf hatte ich den Schlüssel in meiner Hand und lief zum Wagen. Ich packte meine Tasche auf den Rücksitz, stieg vorne ein, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und erstarrte. „Fuck!", schoss es aus mir und ich schloss für einen Moment meine Augen. Ich lehnte mich zurück und atmete tief durch. Mir fiel ein das ich keinen Plan hatte, wo genau in den Outer Banks ich Madow finden könnte. Ich atmete tief durch und dachte kurz nach. Die einzigen die mir einfielen waren ihren Eltern. Das war wie mit rohem Fleisch bedeckt in den Löwenkäfig zu springen. Als ich an Richard denken musste, bekam ich eine Gänsehaut. Er würde mich in der Luft zerreißen. Doch ich hatte keine Wahl. Luna ging ja weiterhin nicht an ihr Handy und ignorierte mich. Also blieb nur noch Mary und Richard. „Auf in die Höhle des Löwen!", versuchte ich mir selbst Mut zu sprechen und startete den Wagen und machte mich auf den Weg zu ihren Eltern.

Ich drosselte das Tempo als ich in die Straße bog und von weiten schon das Haus erkannte. Mein Herz raste und mir wurde schlecht. Ich hatte ein schlechtes Gewissen Mary gegenüber, da ich mich seit dem Tag nach Madows Verschwinden nicht mehr gemeldet hatte. Ob sie überhaupt die Tür aufmachen würde? Diese Situation, machte mir mehr Bauchschmerzen als meine ersten Soloauftritte. Unfassbar. Ich stoppe den Wagen, setzte meine dunkle Mütze auf, stieg auch und heilte zur Tür. Ich zögerte und hielt sekundenlang meine Finger mit etwas Abstand vor den Klingelknopf. Dann ging es schnell. Ich drückte, stellte mich grade hin und lauschte, wie sich Schritte der Tür nährten. Als sich die Tür einen Spalt öffnete, zog ich meine Mütze wieder ab und richtete mir schnell meine Haare.

Die Tür schwang auf und eine erschrockene Mary stand vor mir. „Hallo Mary.", begrüßte ich sie leise und schüchtern. „Ha-arry.. Was machst du hier?", fragte sie mich mit zittriger Stimme. Aufgeregt fummelte ich an meiner Mütze rum und suchte nach den passenden Worten. „Ich...ich hab zufällig erfahren das Madow sich in den Outer Banks zurückgezogen hat. Doch ich weiß nicht genau wo. Mary ich bitte dich. Sag mir, wo sie ist. Ich muss mit ihr sprechen!", sprudelte es plötzlich ohne Punkt und Komma aus mir heraus. „Harry... du solltest gehen.", bat sich mich eilig und sah immer wieder nach hinten. „Bitte Mary... Ich muss sie finden!", flehte ich sich an. „Also gut... sie...", begann sie und Hoffnung keimte in mir auf. „Du sagst ihm gar nichts!", drang plötzlich die Stimme von Richard nach vorn. Verdammt. „Du solltest verschwinden. Du hast hier nichts verloren." Seine Stimme klang leicht bedrohlich, was mich ein Schritt zurücktreten ließ. „Du bist an dem ganzen Mist schuld. Als verzieh dich und lass Madow in Ruhe!", schrie er nun. „Aber... ich möchte nur mit ihr Sprechen.", bat ich mit zusammen gelegten Händen. „NEIN!", brüllte er, zog Mary zurück und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Ihre Stimmen diskutieren aufgeregt und entfernen sich immer weiter von der Tür. Erst als ich nichts mehr hörte, drehte ich mich um und lief zurück zum Wagen.

Ich hielt den Griff der Wagentür fest und rang um Fassung. Ich war wütend. Wüten auf mich und auf Richard. Ich verstand das er seine Tochter Schützen wollte, aber dieser Sturkopf durchkreuzt mir den ganzen Plan. Ich riss die Tür auf, als ich schnelle Schritte auf den Gehwegplatten hörte. Ich sah auf und Mary eilte auf mich, drückt mir einen Zettel in die Hand und verschwand wieder ins Haus. Mit dem Zettel in der Hand stieg ich und entfaltete ihn. „Halte Ausschau nach einen Alten Olivenbaum!", stand geschrieben. Ruckartig blickte ich zum Haus und war über alles Dankbar, dass Marys Herz weicher als das ihres Mannes war. Mit diesem Hinweis machte ich mich auch den Weg zu den Outer Banks. Mit dem Ziel Madow zu finden.

Das Wetter war recht ungemütlich. Es hatte wohl geregnet. Der Sand war angepresst und das Gras in den kleinen Dünen nass. Ich lief bestimmt eine Stunde umher und hielt Ausschau nach dem besagten Baum doch nichts. Ich beschloss einen kleinen Waldweg lang zu laufen, um von dort aus an den anderen Häusern vorbeizulaufen. Der Wind machte mir zu schaffen, also zog ich meine Kapuze über die Mütze und lief weiter. Nach wenigen Metern hörte ich etwas leises wimmern. Ich dachte erst es sei der Wind. Doch als ich dem Wimmern näherkam, sah ich einen kleinen Hund. Seine Hinterpfote klemmte zwischen zwei großen Ästen fest. „Hey mein Freund. Brauchst du Hilfe?", sprach ich leise und nährte mich langsam der kleinen Fellnase. Der kleine Hund duckte sich als er mich sah, und knurrte etwas. Er musste Angst haben. Vorsichtig hielt ich ihm meine Hand hin, damit er daran schnuppern konnte. Das Knurren verstummte und ich fühlte seine feuchte Nase auf meiner Haut. „So ist fein. Ich möchte dir nur helfen.", flüstert ich und machte einen Schritt zur Seite, um besser an den großen Ast zu kommen.

„Gleich bist du frei!", versprach ich, während der Hund mich ununterbrochen beobachtete. Ich packte kräftig an, hob den Ast hoch und mit einem leisen Quietschen vom Hund war seine Pfote frei. Schnell sprang er weg und ich ließ den Ast wieder fallen. Kaum hatte ich mich umgedreht war er auch schon verschwunden. „Hey, kein Dankeschön!", rief ich in die Stille und schüttelte den Kopf. Der kleine wird bestimmt nachhause rennen. Doch da irrte ich mich, denn ein paar Sekunden später kam er mit einem kleinen Stock zurück. Er legte ihn mir vor die Füße und hechelte schwanzwedelnd. „Du willst spielen? Wäre es nicht besser nachhause zu laufen?" Als könnte er das verstehen, was ich ihm erzählte. Immer wieder drehte er sich im Kreis und machte einen Satz nach vor zum Stock. „Okay!", meinte ich, griff den Stock und warf in den Weg Richtung Wald. Mit einen affenzahn raste er davon und kam glücklich tappend wieder zurück. „Guter Junge! Oder gutes Mädchen? Was bist du eigentlich?", fragte ich mich und begann die kleine Fellnase zu streicheln. „Hazza", rief eine Stimme hinter mir. Ich erstarrte, doch der Hund riss den Kopf hoch und rannte auf die Stimme hinter mir zu.

Ungläubig starrte ich die kniende Person vor mir an und fragte mich, ob ich träumte. Nein auf keinen Fall. Es war Madow. „Ma..ddie", hauchte ich leise und machte einen Schritt auf sie zu. Sofort sprang sie auf und wich zurück. „Bitte Maddie...", begann ich, weil ich fürchtete das sie jeden Moment verschwinden könnte. „Nein... du kannst nicht.... Ich... das bilde ich mir ein...", stotterte sie los und nahm weiter abstand. „Warte. Ich bin hier. Ich stehe vor dir!" versuchte ich ihr klarzumachen. Aber sie schüttelte nur ihren Kopf. „Nein... nein... geh!", forderte sie mich auf. Doch ich weigerte mich. „Nein... ich werde nicht gehen. Nach 5 Monaten habe ich die endlich gefunden. Ich werde ein Teufel tun.", rief ich ihr zu. Mein Puls raste und mein Sprang fast aus meiner Brust. Ich bin nicht so weit gereist, um JETZT wieder zu verschwinden. „Ich will... Ich möchte dich nicht schon wieder verlieren." Ich steckte meine Hand ihr entgegen. „Bitte Maddie. Schenk mir etwas Zeit, damit wir reden können!", bat ich sie und lief weiter auf sie zu. Trotzdem wich sie mir aus. Sie begann heftiger zu Atmen und wurde blasser. Bitte lass sie jetzt keine Panikattacke bekommen. Nicht wegen mir. „Beruhige dich Maddie. Atme langsam ein und wieder aus.", leitete ich sie, so wie es immer bei ihr tat und tun werde. Egal wie das hier heute ausgehen wird. Sie wirkte dünner und noch zierlicher. Der Drang sie in meine Arme zu ziehen war fast nicht zu bändigen. Aber ich musste mich zurückhalten. „Lass und doch zu dir gehen.", schlug ich vor und wartete ungeduldig auf ihre Antwort. „Hier draußen ist nicht der beste Ort, um zu sprechen!", brachte ich den Einwand, als sich die dunklen Wolken über uns zusammenzogen.

Sie blickte hoch und dann auf ihren Hund. Ich musste mir ein schmunzeln verkneifen als mir wieder in den Sinn kam, wie sie diesen Hund nannte. Hazza. Unfassbar und zuckersüß. „Okay... Aber nur... kurz!", stammelte sie und lief weiter rückwärts. „Danke Maddie. Vielen Dank.", meinte ich ehrlich zu ihr. Ihr Hund, ein süßer Shinu Ibu sprang an mir hoch und wedelte fröhlich mit der Rute. Es schien ihm zu gefallen das ich sie begleitete. Das viel auch Maddie auf. „Danke..., dass du... ihn gefunden hast!", flüstert sie so leise, dass ich es fast nicht verstanden hätte. Gott wie ich diese Frau vermisst hatte. Ihre Stimme, ihre Art sich zu bewegen und dieser unverwechselbare Duft von Jasmin und Iris.


Always Better Together (h.s.) [+18]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt