Enmar
Ich hatte gerade das Haus verlassen, als meine Schwester mich anrief und sagte, ich solle sie abholen. Zusammen mit ihrer nervigen Freundin. Ich hasste sie. Jedes verdammte Mal ging sie mir auf die Nerven. Jedes Mal tat sie so, als wäre sie das kleinste Wesen auf der Welt und könnte nicht einmal einen Flaschendeckel öffnen. Mit den Gläsern war es nicht besser. Sie hatte mal ihr eigenes mitgebracht, und es war so klein, lass mich nicht lügen. Mein kleiner Finger könnte größer sein.
Doch meine Gedanken wurden von einem Wesen unterbrochen, das sich an meinem Rücken festklammerte, und drei Mal dürft ihr raten, wer es war? Natürlich das nervigste Wesen auf diesem Planeten. Ich roch das viel zu starke Parfüm von ihr und hätte mich hier und jetzt übergeben können.
"Malii", sagte sie mit einer Stimme, die ich nicht einmal meinem Feind wünsche, damit gerufen zu werden. Sie sprang hoch und runter, sie dachte, ich würde sie nicht sehen können, doch sie wusste nicht, dass ich sie bewusst ignorierte.
"Hallooo, maaal", sagte sie wieder und zog das „a" in meinem Spitznamen lang. Mein Spitzname, den sie mir gegeben hatte, und nur sie mich so nennen durfte.
Bevor ich ihr etwas sagen konnte, wurde ich von einer bekannten Stimme gerufen. "Enmar!", rief er, als ich mich umdrehte und sah, wer es war, stockte mir der Atem. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde aus seiner Position rutschen.
Sie saß vorne. Sie saß neben meinem alten Kollegen, den ich seit Jahren kannte. Ist sie über mich schon hinweg?
Sie hatte Tränen in den Augen, das sah ich von meilenweit entfernung. Ich kannte mein kleines Mädchen. Doch mir etwas anmerken durfte ich nicht zulassen. Du bist ein Mann, Enmar. Ein Mann. Geh hin und begrüße deinen Kollegen, dem du höchstwahrscheinlich seine Zähne rausprügeln wirst.
Da war der erste und der zweite Schritt, und schon erreichte ich das Auto. Amin stieg aus und umarmte mich. "Bruder, wie lange habe ich dich nicht mehr gesehen", sagte er, ich nickte nur. "Fast 2 Jahre, oder? Du Player alter. Bist groß geworden", gab er von sich. "Was soll man machen, mein Bruder, man wächst, man nimmt vorallem zu. Sieh dir meinen Bauch an", strich ich mit meiner Hand über meinen Bauch, um zu zeigen, dass ich zugenommen hatte. "Du laberst, Junge, du bist nur breiter geworden von Fett, sehe ich hier nichts", umarmte er mich nochmal und machte die Autotür auf.
"Na los, komm schon, steig aus. Luela, das ist Enmar, ein sehr guter Freund. Enmar, das ist Luela, meine Cousine", stellte er uns gegenseitig vor, und ich hatte das Gefühl, erst jetzt richtig atmen zu können. Wieso wusste ich nicht, dass die zwei Verwandt sind?
Ich streckte ihr die Hand entgegen, sie tat es mir nach. Unsere Hände berührten sich, ich nickte einmal kurz, und sie zog ihre Hand auch schon weg. Diese fünf Sekunden. Ich schwöre es dir, diese fünf Sekunden haben sich wie fünf Jahre angefühlt. Ihre kleinen Hände. Ihre zarte Haut. Die Unsicherheit in all ihren Handlungen bewies, dass sie immer noch die gleiche kleine Luela ist. Sie hat sich verändert, kein Thema. Im positiven Sinne.
Sie ist hübscher geworden als sie es schon war. Sie hatte abgenommen, obwohl sie nie zu dick war. Hat sie überhaupt genug gegessen? Damals zwang ich sie zu essen, doch wer passte jetzt auf sie auf?
"Und so, Bruder", unterbrach Amin meine Gedanken. "Ja, ja, Bruder", ich nickte nur, weil ich kein Wort mitbekommen hatte, was er gesagt hat. Sie sah mich kein einziges Mal an. Und da fingen ihre Hände an zu zittern. Das passierte immer, wenn sie kurz davor war, zusammenzubrechen. Ich wünschte, ich könnte ihr helfen.
"Maaal, kommst du?", hörte ich schon wieder die nervige Stimme hinter mir. "Amin, nimm sie weg von mir. Ich flehe dich an, mein Bruder, das Wesen ist seit Monaten hinter mir her", er fing an zu lachen, was mich mitriss. "Warte hier", sagte er, dass wir hier warten sollen, und lief auf sie zu.
Ich sah zu Luela, die nur auf den Boden sah und versuchte, das Zittern ihrer Hände zu verstecken, doch ich hatte dies schon gesehen. Ich will ihre Hand nehmen, wie damals. Ich will sie beruhigen, wie damals. Doch wird sie es zulassen?
Bevor ich was tun oder sagen konnte, stieg sie ins Auto ein. Ich hatte Amin extra weggeschickt in der Hoffnung, dass ich mit ihr wenigstens reden könnte. Reden. Was rede ich da? Natürlich will sie mit dir nicht reden. Nachdem du sie verlassen hast, nachdem du sie bei ihrem gestörten Vater gelassen hast. Nur der Große Gott weiß, wie sehr sie bei ihm litt.
Meine Brust fühlte sich schwer an. Mir ging es vor paar Minuten noch gut. Ich dachte, ich könnte mit ihr endlich abschließen. Ich hatte in der letzten Zeit nicht mehr so oft an sie gedacht, und jetzt sehe ich sie hier. Unsere Hände haben sich berührt. Es hat sich so angefühlt, als hätten sich unsere Herzen auch berührt.
Du dummer Bastard, was sagst du da. Seit wann denkst du so? Seit wann bist du so huh? Bist du ein kleines Mädchen? Willst du einen Taschentuch? Deine Tränen wegwischen? Werd Mann, junge. Zieh deine harte Fassade wieder drüber.
Ich sah ein letztes Mal zu ihr, sie sah mich aber kein einziges Mal an. Somit drehte ich mich um und sah, wie sich das billige Miststück sich Hoffnung machte, von Amin geklärt zu werden. Ekelhaft.
"Amin, ich geh, Bruder, pass auf dich au-", noch bevor ich den Satz beenden konnte, unterbrach er mich. "Hec hyp n'kerr un t'qoj ku t'don ti", sagte er, dass ich einsteigen soll und er mich hinfährt, wo ich hin wollte.
Um ehrlich zu sein, wollte ich das nicht. Ich wusste, sie würde sich unwohl fühlen. Ich wusste, dass alles nur noch schlim– warte mal. Hab ich dir nicht gesagt, du sollst keine Schwäche oder gar Empathie zeigen? Steig ein, alter! Und somit nickte ich Amin zu und stieg ein.
Es fühlte sich komisch an, in ihrer Nähe zu sein. Es fühlte verdammt komisch an. Ich hatte es tatsächlich vermisst. Ich hatte sie vermisst. Das merkte ich direkt. Doch eine Zukunft mit uns wird es nicht geben. Das wusste ich.
"Luela?"
~ 🌷ب
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Kur Kthehësh?
RandomLuela war ein junges Mädchen, das dachte, in jungen Jahren ihre wahre Liebe gefunden zu haben, wobei sie sich jedoch sehr getäuscht hatte. Sie war eine der liebsten und reinsten Seelen, die man kennenlernen konnte - eine Seele ohne jegliche Sorgen o...