𝘒𝘢𝘱𝘪𝘵𝘶𝘭𝘭𝘪 36

578 32 30
                                    

Luela

Es sind Stunden, Tage, Wochen und Monate vergangen. Jedes Mal derselbe Ablauf. Dreimal in der Woche besuchte ich Enmar, ab und zu Amin und meinen Bruder. Die Tage wiederholten sich jedes Mal.

Ich langweilte mich. Manchmal las ich ein paar Bücher, aber auch Luan las ich viel vor. Die Haushälterin ließ ich oft früher nach Hause gehen oder gab ihr Tage frei, nur damit ich etwas im Haushalt zu tun hatte. Es war nicht mein Haus, deshalb hatte ich eigentlich kein Rederecht, aber als ich Suad fragte, hatte er nichts dagegen.

Eben hatte ich Luan eine warme Suppe gekocht, und dies gefiel ihm überraschenderweise, weil er in den letzten Tagen sonst nicht viel zu sich genommen hatte. Er war stark erkältet und lag die meiste Zeit in seinem Bett, schlief oder bat mich, ihm etwas vorzulesen.

Mir fehlte hier nichts. Ich hatte ein Dach über dem Kopf, ein schönes, warmes und gemütliches Bett. Es wird täglich eingekauft, jeden Tag gibt es frisches Obst und Gemüse. Gott, und das Essen ist phänomenal! Nur habe ich es langsam satt, hier wie eine Gefangene gehalten zu werden. Nicht einmal das Haus darf ich ohne Suads Erlaubnis verlassen, und selbst wenn ich dann rausgehen darf, werde ich von mehreren Wachen oder wie auch immer Suad diese Leute nennen möchte, gefolgt. Alleine bin ich nur in meinem Zimmer. Ich sage auch schon 'meinem', obwohl es mir nicht gehört.

Ich werde mit Suad reden, dass ich es nicht mehr länger hier aushalte. Ich möchte ausziehen, mein altes Leben zurückhaben und wieder arbeiten gehen können. Ich will wieder frei sein. Einen neuen Anfang machen. Alleine. Neue Leute kennenlernen. Ich bin nicht dafür gemacht, unter vier Wänden wie eine verdammte Gefangene gehalten zu werden. Tag und Nacht.

Und schon hörte ich ein lautes Klopfen an der Tür. Ich ging zur Tür und öffnete sie, nur um auf einen alten Mann zu blicken, der klitschnass war. Sofort bat ich ihn hereinzukommen, doch er verneinte es. "Nur ein Glas Wasser", hörte ich ihn halblaut sagen. Er atmete schwer und hielt sich am Türrahmen fest. Ich ging mit schnellen Schritten zur Küche, brachte ihm ein Glas Wasser und beobachtete, wie er es leer trank. Nachdem er mir das Glas zurückgegeben hatte, sah er mich mit seinen angeschwollenen Augen an. Dieser Anblick ließ mein Herz für einen kurzen Moment stehen bleiben. Was muss seine erschöpfte Seele alles erlebt haben, lieber Gott.

"Sie frieren ja, kommen Sie ruhig rein", sagte ich und bat ihn schon zum zweiten Mal hereinzukommen, doch wieder verneinte er es. "Ich suche einen gewissen Enmar, meine Tochter", sprach er, und sofort versteifte sich meine Körperhaltung. "Anscheinend habe ich an der falschen Tür geklopft. Auch die ganzen jungen Männer, die da vorne stehen, machten mir schon etwas Angst", sagte er mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Ganz unrecht hat er nicht. Wie Schatten hatten sie sich um das ganze Haus, den Garten und sogar auf der Straße verteilt. Schwarzgekleidete Männer mit ernsten Mienen, da kriegt selbst eine Fliege Angst.

"Dann gehe ich mal", hörte ich den Mann sagen. "Warten Sie, das Haus gehört Enmar. Enmar Gashi?", fragte ich, als gäbe es hier mehrere Enmars, aber sicher ist sicher. Vielleicht sucht er ja eine komplett andere Person. "Genau! Gashi! Ah, du musst seine Frau sein, nicht wahr?", strahlte er plötzlich. Seine Frau? Ich? Ha! Lustig. "Ich-", "Luela?", hörte ich Suads Stimme hinter mir rufen. "Kush osht Luel?", seine Schritte kamen immer näher, während er fragte, wer an der Tür steht. Und schon spürte ich seine Präsenz hinter mir.

"Suad, Suad", sprach der Mann. Jetzt war ich komplett verwirrt. "Dass mich, mein Versteck, einer wie du herausfindet, hätte ich nie gedacht. Ich habe mir dich anders vorgestellt, na ja, ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, warum mein Sohn an solchen Lappen wie euch interessiert ist. Was hat er von euch?", sprach er weiter. Was soll das? Kennen sie sich? Gott, mir wird schwindelig. Ich sah zu Suad, der ihn mit ernster Miene ansah und eine Kopfbewegung machte, worauf zwei der Männer den alten Mann schnell packten. Bevor ich sehen konnte, wohin sie ihn brachten, wurde die Tür mit aller Wucht zugemacht.

Kur Kthehësh?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt