𝘒𝘢𝘱𝘪𝘵𝘶𝘭𝘭𝘪 8

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Enmar

Den Flug hatte ich schon gebucht. In wenigen Stunden ging es los. Ich hatte doch gesagt, ich würde ihn keine Sekunde länger in diesem verdammten Land lassen oder ihn jemals wieder hierher bringen. Nicht nachdem das passiert ist.

Luan wurde auch wach. Die Wunde am Kopf wurde genäht. Mit ihm würde ich noch einmal schnell nach Hause gehen, meine Sachen einpacken. Der Kleine würde nur noch untersucht und mir wurde gesagt, wie sich die Wunde am besten schneller heilt. Wie unprofessionell sie das gemacht haben, will ich gar nicht mehr darüber reden.

Als wir fertig waren, nahm ich die Hand von meinem Löwen und wir verließen das grausame Gebäude. Seine Hand hielt ich fest. Ich hatte Angst, ihn loszulassen. Nicht noch einmal. Nicht noch einmal würde ich ihn in so einem Krankenhaus bringen. Richtung Auto liefen wir. Ein Obdachloser sahen wir, der in der Nähe von meinem Auto war.

Einen 5-Euro-Schein gab ich Luan und bat ihn, ihn dem Obdachlosen zu geben. Er weigerte sich. Kein Wunder. Der Mann sah auch schrecklich aus. "Mos u tut, Bab, ich bin doch bei dir", beruhigte ich ihn und er tat, was ich ihm sagte. Den Schein gab er dem Mann. Der Mann bedankte sich mehrmals. Sogar als wir losfuhren, hatte er uns zugewinkt, bis er nicht mehr zu sehen war.

"Warum gaben ihn Ged, Bab?", sagte mein Kleiner mit der süßesten Stimme überhaupt. Seine Sprachfehler brachten mich zum Lachen. "Weil er obdachlos ist, Baba. Er hat wenig Geld und lebt auf der Straße, also sind wir dazu verpflichtet, jemandem zu helfen, der Hilfe braucht", sagte ich ihm, und ob er alles verstanden hatte, war ich mir nicht sicher.

"Obdadlos?", sagte er wieder. Mein Kleiner. "Obdachlos, Baba. Das ist jemand, der kein Haus hat und auf der Straße lebt", versuchte ich, es ihm so einfach wie möglich zu erklären. "Warum?", fragte er. "Weil er vielleicht keine Arbeit hat oder so", antwortete ich ihm. "Warum?", fragte er wieder. Damit wird er nicht aufhören. Jedes Mal wird er fragen, wieso dies so ist und wieso das so ist.

Nach wenigen Minuten Fahrt und Luans Fragen beantworten kamen wir auch schon zu Hause an. Abgeschnallt hatte er sich selbst, und die Tür machte ich ihm auf, und er stieg aus. Richtung Haustür liefen wir. Die Tür machte ich auf, und wir liefen schon rein.

Ich ging hoch in mein Zimmer, um ein paar Sachen einzupacken. Klamotten würde ich hier lassen, da wir genug Kleidung in Deutschland hatten. Meinen MacBook packte ich ein, da darauf alles Wichtige war. Luans Medikamente packte ich auch direkt ein, eine lange Hose und einen Pullover, falls es ihm kalt wird.

Auf meinem Handy sah ich, und wir hatten genug Zeit, doch ich würde lieber jetzt schon losfahren, da man nie weiß, ob es Stau geben wird, und den Flug zu verpassen, hatte ich auch wenig Bock. Ich würde keine weiteren Stunden hier aushalten.

Ich ging mit meiner kleinen Tasche die Treppen runter, als ich hörte, wie etwas auf den Boden fiel und zerbrach. Meine Schritte wurden schneller, und schon erreichte ich das Foyer. Zum Wohnzimmer ging ich schnell und sah, dass Luan die Vase auf der Kommode mit dem Ball geschossen hatte und sie heruntergefallen war.

Ihn setzte ich auf das Sofa und bat ihn, nicht aufzustehen, bis ich die Scherben weg gemacht habe. Das dauerte nicht lange. Ich sah zu Luan rüber, der mich ängstlich ansah. Ich hatte ihn weder angeschrien noch böse angeschaut.

"Qka ki bab?", fragte ich ihn, was los sei, und ging auf ihn zu, neben ihm nahm ich Platz. Er zuckte nur mit den Schultern und war den Tränen nahe. "Hec te babi", und schon sprang er auf mich zu und schlang seine kleinen Arme um meinen Hals. Seinen Kopf platzierte er auf meiner Brust. In wenigen Sekunden spürte ich seine tränen.

"Schau mich an, weine nicht. Ist doch nichts passiert, siehst du? Liegen da Scherben? Nein. Babi i ka hek.", versuchte ich ihn zu beruhigen. Seine Tränen, die die Wangen runter liefen, brachten mich um. Auch als Baby, als er geweint hatte, konnte ich keine Ruhe finden bis er sich beruhigt hatte.

"Sollen wir losfahren? Vielleicht könnten wir auch ein Eis auf dem Weg essen?", sah ich ihn jetzt lächelnd mit einem fragenden Blick an, und schon lächelte er auch. "Lolee", rief er durch das ganze Haus und lief Richtung Tür. Mein kleiner Löwe.

Seine Schuhe zog ich ihm an, danach auch meine, und wir liefen zum Auto. Ich würde einfach auf dem Parkplatz vom Hotel nebenan parken, der meinem guten Kollegen gehörte. Mir ein Auto zu mieten, jedes Mal wenn ich hierherkomme, war mir auch zu anstrengend, oder mit dem Auto von Deutschland hierher würde ich Luan niemals antun. Dann noch der Stau an den Grenzen würde ihm nicht gut tun.

Ich schnallte ihn an, und wir fuhren schon los. "Bab, lole", sagte er. An dem kleinen Laden hielt ich an, machte die Fenster runter, damit es nicht zu warm im Auto für den Kleinen wird, und ging in den Laden rein. Ein Eis holte ich ihm und eine Schachtel Zigaretten. Ich bezahlte und ging auch schon raus zu meinem kleinen Löwen, der mich mit einem Lächeln erwartete.

Ich stieg ins Auto ein, gab ihm sein Eis und fuhr schon los. "Bab, du lole?", fragte er mich. "Babi will kein Eis. Iss du den", antwortete ich ihm. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, da ich den Blick von seinem Gesicht einfach zuckersüß fand. Plötzlich reichte er mir seine Hand mit dem Eis. "Profoje", sagte er, dass ich auch mal probieren soll. Mein Löwe. Das tat er immer. Immer wollte er das, was er hatte, egal ob Essen, Spielzeug oder sonstiges, mit anderen teilen.

Da das Eis mit Erdbeeren war und ich hoch allergisch dagegen war, musste ich ablehnen. Ihm zu erklären, versuchte ich auch, und schon kam wieder seine "Warum?" Sucht hervor. Der Junge fragte jedes Mal "Warum?" nach jeder Antwort, die ich ihm gab.

Am Parkplatz angekommen, stiegen wir aus. Ich nahm meine Tasche, Luan ließ ich wenige Schritte vor mir laufen und ging ihm hinterher. Es war verdammt warm. Auf dem Weg sah man weitere Obdachlose, und Luan hatte mich ein paar Mal nach Geld gefragt, das ich ihm auch gab. Es machte mich glücklich zu sehen, wie schnell er lernte.

Am Flughafen-Eingang sah ich, während Luan jemanden beobachtete. Nach Geld fragte er mich und zeigte auf das Mädchen, das auf ihrem Koffer saß. Nach einem Obdachlosen sah sie nicht aus. Das versuchte ich ihm auch zu erklären, doch er bestand darauf, zu ihr zuzugehen. Seine kleine Hand reichte er ihr, und als sie den Kopf hob, merkte ich jetzt erst, wer es war. Luela.

"Luan!", rief ich nach ihm.

~ 🌷ب

Kur Kthehësh?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt