Teil 36

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Langsam kroch die Morgendämmerung über die Ebene und die weit entfernten Berge im Osten und verbreitete ihren kalten Schimmer über die Wälder und die Stadt zu ihren Füßen. Aus der Ferne auf die Größe von Tausendfüßlern geschrumpft zogen Gruppe von Menschen über die Ebene und auf die Stadt zu. Wie Ameisen die über die Rippen eines Blattes laufen. Emma lachte in sich hinein und suchte sich eine Melodie. Sie stand auf dem Balkon, wieder ordentlich angezogen und in eine Decke gehüllt, während Milan und Damien sich um die Leiche kümmerten. Was auch immer das bedeuten sollte. Sie wollte nicht nachfragen.

Ihr Vater verfütterte getötete Spione und Attentäter gerne an seine Tiere. Er fand das es nur recht und vor allem Billig war wenn niemand aus seinen Reihen sein Leben lassen musste um sie an den Geschmack zu gewöhnen.

Auch darüber hatte sie einmal ein Lied erfunden. In einem besonders dunklen Moment in dem kalten Schloss am Meer, in dem sie den Großteil ihrer Kindheit und Jugend verbracht hatte. Sie war zurückgekommen von zwei Wochen in der Hauptstadt, die furchtbar gewesen waren und ein paar wundervollen viel zu kurzen Tagen in Hamu bei ihrem Onkel und ihrer Tante. Und auf dem Weg, hatte ihr Vater ihr wie üblich seine Lektionen erteilt. Sie hatten die Zentralgefängnisse besucht, mehr brutale Arbeitslager als irgendetwas anderes und sie sollte bei den Verhandlungen mit den wenigen übrig gebliebenen Reiterstämmen der  Wüste gut aufpassen. Es war nicht die erste solcher Reisen mit ihrem Vater und es war nicht die letzte gewesen, er fand nämlich auch das das die einzigen Gelegenheiten waren zu denen er nicht zu viel zu tun hatte um sich mit ihr abzugeben. Schließlich war er in erster Linie der König. Und sie war seine Erbin also sollte sie auch wichtigeres mit ihrer Zeit anzufangen haben als, nun Spaß zu haben vor allem.

Sie hatte in ihrem Zimmer gesessen, den Kopf vollgestopft mit Gewalt, Grausamkeit und Verachtung, und ihr eigener Widerwille, die ganze Zeit unterdrückt von seiner Anwesenheit sprudelte nur so aus ihr heraus. Also hatte sie ein lied geschrieben, so vollgestopft mit ihrem Jugendlichen Hass und Hohn und Freiheitsdrang das es förmlich triefte, und den Zettel gleich darauf verbrannt.
Doch noch nie war sie an einem Ort gewesen an dem sie es hätte wagen können es laut zu singen. Oder auch nur leise wenn sie ehrlich war. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst als die unglaubliche Erkenntnis sie durchströmte, dass sie hier jedes Lied singen konnte das sie sich je ausgedacht hatte. Niemanden würde es kümmern wenn es einen der hochverehrten Stammbäume Marens negativ erwähnte.

Doch jetzt war nicht der Richtige Zeitpunkt um diesem Kettenbrechenden Gefühl nachzuspüren. Emma sah sich um. Der Raum hatte sich gefüllt. Damien stand ihr am nächsten direkt vor der Tür, immer noch im Beschützer Modus. Er hatte Milan förmlich angeschnauzt nicht länger mit seiner Ungeduld die Luft zu verpesten sondern jemanden zu holen der das Chaos beseitigte. Emma hatte es nicht mal fertig gebracht sich zum zudecken zu überreden. Deswegen hatte er ihr Klamotten rausgesucht und sie sogar ins Bad getragen obwohl sie tatsächlich dazu in der Lage gewesen war ihm zu versichern dass das nicht nötig war. Sie konnte selber laufen. Er hatte nur „musst du aber nicht" gebrummt und sie geküsst, bis er sie im Bad auf dem Stuhl absetzte.

Jetzt redete er auf die vier Männer im Raum ein, einer von ihnen war Milan, der andere war einer ihrer Eskorte gewesen, die anderen beiden hatte sie noch nie gesehen. Nur ein Murmeln drang durch das dicke Glas der Tür, doch sie konnte seine Anspannung trotzdem hören. Sie ging hinein, stellte sich neben ihn und legte ihren Kopf an seinen Arm. Er entspannte sich sofort und beendete seinen Satz mit einem fast ruhigen „Ich will wissen wer den Auftrag gegeben hat. Das ist alles"
Die drei anderen nickten und gingen hinaus, Milan blieb zurück und betrachtete sie eingehend.
„Geht es euch besser Milady?"
Emma lächelte. „Ja viel besser danke Milan. Und nenn mich doch bitte Emma." Schließlich hatte sie in diesem Land weder das Recht noch das Verlangen nach irgendeinem Titel, also wieso an alte Zeiten klammern.

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