39. Kapitel - Versöhnung?

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Ich wollte kotzen als ich an Lians Tür klopfte. Es war nicht das erste Mal, dass er nicht reagierte und ich trotzdem einfach eintrat. Ich musste das klären, auch wenn ich am liebsten heulend davon gerannt wäre. Ich wollte nicht hören, dass er das nicht mehr konnte. Ich wollte nicht hören, dass Lian nicht mehr das für mich fühlte, was er mal gefühlt hatte. Und ich wollte nicht hören, dass es das zwischen uns gewesen war. Ich hatte Angst davor, weil ich wusste, dass es so sein würde. Lian würde das beenden.

Es musste so sein, anders konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären. Würde ich das denken, was er dachte, dann hätte ich ihn in der Mensa nicht ignoriert. Ich hätte ihn noch vor allen darauf angesprochen. Warum hatte er das nicht getan? Wie konnte ihm das alles egal sein? Wie hatte er die ganze Nacht unsere Serie schauen können, als würde das nichts bedeuten?

Lian lag mit der Decke bis zum Kopf hochgezogen im Bett und starrte regungslos auf seinen Laptop. Er blickte nicht mal auf, als ich eintrat. Leise schloss ich die Tür hinter mir und lief dann schweigend zu ihm ans Bett, um mich neben ihn zu setzten. Unsicher starrte ich ihn an. Sah nicht so aus, als wäre er bereit über die Dinge zu sprechen. Er tat immer noch so, als hätte er gar nicht gemerkt, dass ich reingekommen war.

Mein Blick schweifte durch das Zimmer. Es herrschte Unordnung. Überall lagen seine Sachen rum, leeren Flaschen standen auf dem Schreibtisch und der Müll quoll fast über. Auf dem Bildschirm seines Laptops lief noch immer die Serie, die wir eigentlich als unsere Serie betitelten. Ich schaute ihr eine Weile zu, bis ich feststellte, dass er an einer Stelle war, die lange vor dem lag, wo wir weitergeschaut hatten. Hatte er die Serie etwa letzte Nacht zu Ende gesehen und direkt wieder von vorne angefangen?

Ich blickte wieder zu ihm. Er sah müde aus, tiefe Augenringe, traurige Augen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, also sagte ich nichts. Ich drückte nur wieder die Leertaste seines Laptops und stoppte damit das Video. Jetzt lag schwere Stille über uns. Lian reagierte auch darauf nicht. Er bewegte sich nicht, er sagte nichts, er blinzelte nicht einmal.

Es kam mir wie mindestens zehn Minuten vor, dass wir so schweigend nebeneinander saßen und nichts taten. Aber dann ließ er seine inneren Gedanken doch noch nach außen dringen:

„Ich habe dir deine Sachen in die Tasche da gepackt." Mit seinem Blick deutete er auf eine schwarze Umhängetasche, direkt neben der Tür.

Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich hatte mir keine unnötigen Gedanken gemacht. Ich hatte mir dieses erdrückende Gefühl nicht eingebildet. Lian hatte aufgegeben. Er hatte uns aufgegeben. Er wollte das nicht klären, er wollte... er wollte mich aus seinem Leben werfen. Er wollte alles von mir loswerden. Einfach so? Ohne darüber zu sprechen? Ohne irgendwas zu erklären? Warum? Wie? Wie konnte er das machen?

Er hatte mir eine Tasche gepackt?! Dieser Satz wiederholte sich wieder und wieder in meinem Kopf. Wann hatte er beschlossen, dass es aus war? Dass er das nicht mehr wollte? Und... warum? Was war passiert? Hatte er mir nicht noch vor ein paar Tagen gesagt, ich solle vorsichtig sein in New York? Warum hatte er das gesagt, wenn er es jetzt beenden wollte? Ich verstand gar nichts mehr.

Plötzlich spürte ich wie das nervöse Gefühl der Panik in mir aufstieg. Ich wollte kein Ende. Ich wollte nicht alles wegwerfen was wir hatten. Das mit uns war doch mal so gut gewesen. Es hatte sich mal so leicht und schön angefühlt. Alles war mit ihm einfacherer gewesen... und jetzt? Jetzt würde es nie wieder so sein? Diese Vorstellung zerriss mich fast.

Ich hörte auf an ihm vorbei zu starren und blickte ihm stattdessen ins Gesicht. Ich wollte eine Emotion bei ihm sehen. Ich wollte sehen, dass es ihm nicht so egal war, wie er jetzt gerade tat. Doch Lian starrte nur wieder regungslos auf seinen Laptop, bei dem der Bildschirm schon längst schwarz geworden war.

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt