Ich flüchtete. Was hatte ich getan? Mein Körper fühlte sich zittrig an, aber ich rannte weiter. Unruhig sah ich hinter mich. Niemand sollte mich so sehen.
Ich hatte Michelle geschlagen. Diese Worte erhöhten meinen Herzschlag. Übelkeit stieg in mir auf. Ein schlechtes Gewissen holte mich ein. Kein schlechtes Gewissen. Das schlimmste Gewissen was ich jemals gefühlt hatte. Noch nie hatte ich mich so furchtbar gefühlt und ich wusste ganz genau wie man sich furchtbar fühlte. Ich hatte mich oft miserabel gefühlt. Nutzlos, erbärmlich, schwach, grausam. Aber noch nie hatte ich Gewissensbisse gehabt, die meinem Herz wehtaten. Es war kein stechender Schmerz. Eher eine Wand, die sich auf mein Herz legte und mich erdrückte, während es so schnell schlug, dass ich zu keuchen anfing und das Gefühl hatte rennen zu müssen. Aber ich rannte nicht. Ich rutschte an einem Baum zu Boden und legte die Arme um mich selbst.
Wie hatte ich Michelle schlagen können?
Meine Fingernägel bohrten sich in die Haut meiner Arme, fest und schmerzhaft. Ich brauchte einen anderen Impuls, damit ich nicht zu heulen anfing. Ich war nutzlos und schwach. Wie konnte man so erbärmlich schwach sein?
Ich hasste Michelle nicht und ich hasste auch Sam nicht. Ich hasste nur mich selbst. Ich war wie er gewesen. Ich hatte Michelle geschlagen. Ich? Ich hatte sie geschlagen? Wie war ich dazu in der Lage gewesen? Die vergangenen Minuten waren einfach passiert. Es war, als hätte ich nichts davon kontrollieren können. Als hätte ich selbst keinen eigenen Willen gehabt.
Wie hatte ich meine Hand gegen sie erheben können? Alleine daran zu denken, schürte den Hass in mir so sehr, dass ich meine Fingernägel kräftig in meine Haut bohrte, bis sie zu bluten anfing. Ich war von mir selbst erschrocken. Ich konnte nicht begreifen wie ich das hatte tun können. Mein Verstand, alles hatte ausgesetzt. Ich hatte nie geglaubt, dass ich zu so etwas jemals in der Lage sein würde. Ich verurteilte ihn für das was er tat. Wie konnte ich das Gleiche tun? Wie konnte ich in der Lage sein, das zu tun, was ich verachtete? Daran war niemand anderes schuld. Daran hatte nur ich selbst schuld.
Der Druck meiner Finger wurde immer stärker. Es brannte und es schmerzte, aber es war nicht genug. Tränen füllten meine Augen. Ich war so erbärmlich schwach, dass ich zu heulen anfing. Ich hatte alles verloren. Ich hatte Janines Respekt verloren. Das Einzige, was mir übrig geblieben war. Ich hatte mich damals für sie und damit gegen jeden anderen entschieden. Aber jetzt hatte ich nichts mehr, gar nichts. Es erdrückte mich. So sehr, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie ich ohne Janine weiterleben sollte.
Ich sprang auf. Die innere Unruhe zwang mich dazu. Ich musste etwas tun. Sonst würde ich an diesem rasendem und erdrücktem, schnellen Herzschlag sterben. Ich lief auf und ab. Schnell, eilig, ich rannte fast. Dann setzte ich mich wieder, stand auf und fuhr mir durch die Haare, zog an meinen Haaren und krallte mich dann wieder in meine Haut.
Wie? Wieso hatte ich diese Wut nicht aushalten können? Warum hatte ich zugeschlagen? Warum? Ich hatte mir geschworen nie so zu sein, wie er. Aber jetzt hatte ich genau das getan. Schlimmer noch, ich hatte es genossen. Wie konnte man so etwas genießen? Wie erbärmlich musste man sein, dass man durch so etwas das Gefühl von Macht bekam?
Ich verstand nicht wie es soweit kommen konnte. Ich war nicht ich selbst gewesen. Ich hasste diesen Satz. Meinem Körper entfuhr ein lauter Schrei.
Diese Aussage klang lächerlich. Ich hatte das oft genug als Entschuldigung von ihm gehört. Keine Entschuldigung, die an mich ging, eher an meine Mutter. Wie er bei ihr versucht hatte zu rechtfertigen, was er getan hatte. Aber es war wahr. Ich war nicht ich selbst gewesen. Das waren nicht meine Entscheidungen gewesen. Ich hatte weder Connor, noch Michelle geschlagen. Das war mein Körper gewesen. Die Reaktion meines Körpers auf ihre Provokationen. Aber nicht ich hatte sie geschlagen. Trotzdem glaubte Michelle das. Michelle glaubte, ich hatte sie geschlagen. Jetzt hasste sie mich. Genauso wie Sam, wie meine Mutter, wie er, wie meine Schwester, wie Janine, wie ich selbst. Alle hasste mich. Und sie hatten Recht. Man konnte mich nur hassen.
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Magische Träume (4. Teil)
Spiritual1. Teil: Zufall oder Magie Während Sam und Lian daran arbeiten ihr Vertrauen zueinander wieder aufzubauen, müssen sich Beide ihren größten Herausforderungen stellen. Lian kann seine Vergangenheit nicht länger verdrängen und Sam muss sich ihrer Zukun...