Ich saß im praktischen Kurs für das Fach Emotionen und war froh, dass der Unterricht heute mit etwas Theorie startete. Es wurde über verschiedene Methoden gesprochen, um die eigenen Emotionen unter Kontrolle zu halten. Während viele andere sich in direkte Diskussion stürzten, hing ich auf meinem Platz und starrte müde an die Tafel. Ich gab mir nicht mal Mühe den Anschein zu erwecken ich wäre aufmerksam.
Mrs. Lane hatte mir einen Freifahrtschein gegeben. Ich war von jeglicher Bewertung ausgeschlossen und da die Nacht, durch Lians Panikattacke, unterbrochen worden war und ich zusätzlich durch die Tabletten hundemüde war, nutzte ich diesen Freifahrtschein auch gnadenlos aus. Während im Hintergrund über die verschiedenen Atemtechniken gesprochen wurde, bemühte ich mich nur darum wach zu bleiben und beschäftigte mich beiläufig mit dem Suchen nach einer Lösung für meine Träume. Mrs. Rutherford hatte gesagt, dass sie das Gefühl habe die Antworten seien direkt hier, ich müsse sie nur sehen. Doch ich hatte keinen Anhaltspunkt, ich hatte nichts wo ich ansetzten und nachforschen könnte.
Vermutlich sollte mich das stressen. Aber für Stress war ich viel zu müde. Es schien als wäre mein Körper im Energiesparmodus. Was mal so ganz anders war, als sonst. Ich ließ die vergangenen Herausforderungen noch einmal Revue passieren. Dabei fiel mir eine Sache ganz besonders auf. Immer, wenn ich an einem Punkt gewesen war, an dem ich nicht weitergewusst hatte, war es trotzdem immer irgendwie weiter gegangen. Irgendwie hatte sich mir immer ein Weg gezeigt. Jetzt würde es auch so sein. Irgendjemand oder irgendetwas würde mich schon auf die richtige Spur bringen, das spürte ich.
Weil ich merkte, wie mir allmählich die Augen wieder zufielen, nahm ich mir einen Bleistift in die Hand und begann damit zu kritzeln. Erst zeichnete ich belanglose Dinge, die mir in den Sinn kamen, eine Couch, ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch. Dann unterstrich ich wahllos einige Worte und umkreiste verschiedene Buchstaben. Eine ganze Weile vertrieb ich mir so die Zeit, bis ich plötzlich einen Schatten in meinem Augenwinkel wahrnahm. Erst jetzt realisierte ich, dass ich in das Lehrbuch gekritzelt hatte, das wir Anfang der Stunde ausgeliehen bekommen hatten.
Erschrocken setzte ich mich aufrecht und sah mich um. Niemand beobachtet mich, außer... eine Gestalt. Ich kniff die Augen zusammen, um sie besser zu erkennen. Sie stand noch am Eingang des Raumes. Als sie langsam auf mich zukam, wusste ich wer sie war. Die Gestalt aus meinem ersten Traum, aus dem Traum, der mir das Mal verpasst hatte.
Ruhig blieb sie neben meinem Tisch stehen und erhob ihre Hand. Mit Gesten begann sie den Stift in meiner Hand zu führen. Sie deutete auf das erste Wort, das ich zuvor umkreist hatte.
Suche
Ich folgte dem Stift mit meinen Augen und las leise vor, worauf er deutete:
„Zuhause bei..." Die Gestalt stoppte und richtete den Kopf in meine Richtung. Ich wurde unsicher und ließ den Stift unüberlegt fallen. Die Sache war mir unheimlich. Hatte ich es jetzt vermasselt? Hatte ich die Gestalt in ihrer Magie unterbrochen? Nein, die Gestalt senkte den Kopf wieder leicht und machte unbeeindruckt weiter. Sie führte den Stift noch immer mit ihren Gesten. Langsam brachte sie ihn dazu weitere Buchstaben zu umkreisen.
N-O-A-H
Noah?
„Wer ist Noah?", flüsterte ich und schaute zu der Gestalt hoch. Sie nickte knapp mit dem Kopf, deutete auf das Buch. Der Stift wanderte weiter, die Miene wetzte über das Papier und die nächsten Buchstaben wurden umkreist.
Ein
F-R-E-U-N-D
Von
J-A-Y-D-E-N
Ein Freund von Jayden? Noah ein Freund von Jayden? Krampfhaft überlegte ich, ob Jayden jemals einen Noah in meiner Gegenwart erwähnt hatte. Aber ich erinnerte mich an nichts. Ich setzte an, um die Gestalt zu fragen wo ich diesen Noah finden würde. Doch noch im selben Moment schlug Mr. Baker das Buch vor meiner Nase zu und sah mir ernst entgegen. Ein kurzer, abgelenkter Blick in seine Richtung reichte und die Gestalt war verschwunden. Verdammt.
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Magische Träume (4. Teil)
Spiritual1. Teil: Zufall oder Magie? Während Sam und Lian daran arbeiten ihr Vertrauen zueinander wieder aufzubauen, müssen sich Beide ihren größten Herausforderungen stellen. Lian kann seine Vergangenheit nicht länger verdrängen und Sam muss sich ihrer Zuku...