63. Kapitel - Zimtschnecken

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In der Küche meiner Eltern roch es nach etwas Vertrautem, der Geruch von Zimt und Gebäck hing in der Luft. Ich liebte die Zimtschnecken, die meine Mutter immer backte, wenn die Weihnachtszeit begann. Doch als ich zu ihr in den Raum trat, war nicht sie es, die sie backte. Sie ließ sie backen, von... einer unsichtbaren Kraft? Erstaunt blieb ich im Türrahmen zur Küche stehen und beobachtete meine Mutter, die an der Kücheninsel lehnte und auf die Arbeitstheke starrte, auf der sich der Teig von selbst zubereitete. Mehl schüttelte sich in die blaue Schüssel. Zucker flog hinzu, eine Prise Salz rieselte von ganz allein in das Gemisch.

Mit offenem Mund starrte ich meine Mutter an, die das Geschehen mit ihren Blicken zu kontrollieren schien. Als ich mein Gewicht von einem Bein aufs andere Verlagerte, knackte eine Diele unter meinen Füßen und ließ meine Mutter zusammenschrecken. Der Sack Mehl fiel auf die Schüssel hinab und stieß sie um. Die Eier, die Sekunden zuvor angefangen hatten vom Kühlschrank zur Küchentheke zu schweben, hinterließen nun auf dem Boden eine große Sauerei.

Mit schnellen Schritten stampfte meine Mutter auf mich zu.

„Das darfst du niemanden sagen, okay?" Sie klang panisch und hektisch. Die Ruhe von eben war vollkommen vergessen. Sprachlos starrte ich sie an.

„Seit wann...", begann ich zu flüstern, wurde aber von meinem Vater gestört, der in die Küche trat und wenig später das Chaos auf dem Boden entdeckte.

„Was ist denn hier passiert?", fragte er erstaunt und sorgte dafür, dass das Chaos verschwand. Aber auch er machte sich dafür nicht selbst die Hände schmutzig, sondern ließ Küchenpapier die kaputten Eier entsorgen und brachte allein durch Blicke und Gedanken Handfeger und Müllschippe dazu, das verstreute Mehl und den Zucker aufzufegen. Die Schüssel schwebte hoch auf die Theke. Mein Blick wanderte zu meiner Mutter, die währenddessen einen Finger auf ihre Lippen gelegt hatte und mir damit signalisieren wollte, dass ich meinem Vater kein Wort davon sagen durfte. Aber warum? Meine Eltern waren Magier? Das mussten sie sein. Aber... warum durfte mein Vater nichts von der Magie meiner Mutter wissen?

Ein Klingeln riss mich aus den Überlegungen.

„Sam? Machst du mal eben die Tür auf?", bat mich mein Vater freundlich und deutete mit den Händen in die Richtung unserer Eingangstür. Nickend bewegte ich mich dort hin, nahm den Hörer ab und lauschte, wer an unserer Wohnung geklingelt hatte.

„Drück einfach den Knopf", hörte ich meine Mutter im Vorbeigehen sagen. Ich tat was sie mir auftrug. Wenige Minuten später stand die Person vor unserer Wohnungstür und klingelte wieder. Als ich aufmachte, lächelte mir meine Grandma breit entgegen.

„Hey Liebes, schön dich zu sehen, ich hab es ein paar Tage früher geschafft herzukommen", begrüßte sie mich und trat den Schnee von ihren Schuhen ab, ehe sie mich in eine feste Umarmung zog und in die Wohnung lief. Erstaunt ging ich ihr hinterher und musterte sie genau. War das wirklich meine Grandma?

„Aber... du bist doch tot...", flüsterte ich heiser.

„Nein, nicht mehr", entgegnete sie fröhlich, streichelte noch ein Mal kurz meine Wange und sah sich dann nach meiner Mutter um.

„Nicht mehr?", wiederholte ich erstaunt und folgte ihr. Sie war nicht mehr tot?

„Das ging?"

„Natürlich geht das", antwortete mir mein Vater auf die Selbstgespräche und schlug mir im Vorbeigehen leicht auf die Schulter, ehe er meine Grandma umarmte. Natürlich geht das... okay?

„Papa hat schon auf dich gewartet", hörte ich meine Mutter aus der Küche rufen. Während meine Grandma erwartungsvoll in die Küche trat, folgte ich ihr und entdeckte dort meinen Grandpa, der an der Kücheninsel saß und glücklich strahlte, als er meine Grandma in den Raum treten sah. Wann war er gekommen? War er schon die ganze Zeit dort gewesen?

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt