10. Kapitel - Der Morgen danach

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Am nächsten Morgen wurden Linn und ich von einem lauten Türknall und dem energischen Öffnen einiger Fenster geweckt. Ruckartig war ich mit dem Oberkörper nach oben geschnellt und starrte nun Michelle an, die frisch geduscht vor dem Fenster, neben unserem Bett, stand und die warme Sommerluft einatmete.

„Guten Morgen", sagte sie fröhlich und sah uns dabei erwartungsvoll entgegen. Ich drehte mich zu Linn um. Die starrte Michelle mit irritierter Miene entgegen und schien, genauso wie ich, noch einen langen Moment zu brauchen, damit sie richtig wach werden konnte. In meinem Kopf war es dunkel. Welchen Tag hatten wir? Wie viel Uhr war es? Was war gestern passiert? Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich an die vergangene Nacht erinnerte. Müsste Michelle nicht den größten Kater ihres Lebens haben? So oft wie sie sich in der vergangenen Nacht übergeben hatte?

„Morgen", brummte Linn und riss mich damit aus den Gedanken. Sie zog sich die Decke über den Kopf, konnte sie jedoch nur kurz bei sich halten, da Michelle geradewegs auf sie zulief und die Decke zurückzog.

„Wir müssen zum Frühstück", erklärte sie etwas zu laut für meine müden Ohren und klatschte in die Hände. Wo nahm sie die gute Lauen her? Müsste ihr Kopf nicht brummen? Sollte sie sich nicht elendig fühlen und heute überhaupt nicht das Bett verlassen wollen?

„Das Frühstück hat noch eine halbe Stunde offen, beeilt euch", forderte Michelle, als Linn und ich immer noch keine Antwort von uns gegeben hatten.

„Ich werde die Jungs wecken gehen. Wir treffen und dann unten." Mit diesen Worten verschwand sie durch die Tür. Ich ließ mich rückwärts ins Bett fallen und seufzte schwer. Eigentlich hätten Linn und ich noch mindestens eine halbe Stunde im Bett dösen wollen, doch mein Magen knurrte und ich spürte, dass ich doch zu viel Hunger hatte, um bis zum Abendbrot warten zu können. Also rafften wir uns auf und zogen uns an.

Unten in der Mensa trafen wir auf Connor. Er begrüßte Linn recht überschwänglich und drückte ihr ein paar Küsse auf. Er hatte eine ähnliche Euphorie wie Michelle und strahlte uns gut gelaunt entgegen. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte sich doch auch Conner übergeben. Irgendetwas mussten Linn und ich falsch gemacht haben.

Als sich jeder von uns ein Frühstück geholt hatte, setzten wir uns in die Nähe der Eingangstür. Um diese Zeit war es ziemlich leer. Es waren nur einzelne Tische besetzt und dementsprechend war auch das allgemeine Gemurmel recht leise.

„Wo ist Lian?", fragte ich, als Connor anfing in Erinnerungen an den gestrigen Abend zu schwelgen.

„Noch im Zimmer", antwortete Michelle an seiner Stelle und wollte gedanklich schnell wieder zu den Erzählungen von Connor zurückkehren. Doch ich kam ihr zuvor und hinterfragte warum Lian nicht mit zum Frühstück gekommen war. Connor zuckte als Antwort nur die Achseln und begann seine Erzählungen fortzusetzen.

„Gehts ihm gut?", unterbrach ich ihn besorgt und legte die Hände um meine Kaffeetasse, um die plötzliche Nervosität vor den anderen verbergen zu können.

„Klar, er ist nur müde und braucht länger." Connor klang gleichgültig. Er war viel mehr daran interessiert die Erinnerungen an den gestrigen Abend wieder aufleben zu lassen, als darüber nachzudenken, warum Lian noch in seinem Zimmer war. Vielleicht gab es keinen Grund das komisch zu finden. Doch von Jetzt auf Gleich spielten sich in meinem Kopf, in dreifacher Geschwindigkeit, unzählige Überlegungen ab, welche Gründe es geben könnte, dass Lian oben geblieben war. Ich suchte aufdringlich den Blickkontakt zu Connor. Seinem Blick und seiner Mimik versuchte ich zu entnehmen, ob er die Wahrheit sagte. Doch alles was ich in seinem Gesicht sah, war Gleichgültigkeit für dieses Thema. Selbst, wenn es Lian wirklich nicht gut gehen würde, hätte Connor das womöglich nicht einmal bemerkt.

Magische Träume (4. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt